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Fakten
Jahr: 2011
Genre: Krimi, Thriller
Showrunner: –
Crew (Writer, Director, Cinematographer, Editor): IMDb-Übersicht
Besetzung: Veerle Baetens, Michael Pas, Marc Lauwrys, Gilles De Schryver, Geert Van Rampelberg, Carry Goossens
Musik: Piet De Ridder
Review
Es geht übel zu im belgischen Gent – Vergewaltigung, Missbrauch, Pädophilie – die Liste ließe sich noch lange fort führen, denn dies sind nur einige der schockierenden Delikte mit denen sich das Team des örtlichen Sittendezernates unter der Leitung der toughen Hannah Maes (verkörpert von einer starken Veerle Baetens) herum schlagen muss. Benannt nach der belgischen Polizeiziffer für Sexualstraftaten, begleitet CODE 37 sie und ihre Team aus den drei engsten Mitarbeitern auf ihrem fortwährend-beklemmenden Tauchgang in menschliche Abgründe.
Obwohl es sich mit Belgien um einen unserer direkten Nachbarn handelt, ist bis dato auf dem Film- und erst recht dem Serien-Sektor nicht allzu viel über die Grenze geschwappt. Freunden des abseitigen Filmes dürfte bei Titeln wie EX DRUMMER oder MANN BEISST HUND ein Licht aufgehen, vor einigen Jahren sorgte das bewegende Drama THE BROKEN CIRCLE BREAKDOWN (ebenfalls mit Baetens in der Hauptrolle) für Tränen-durchtränkte Taschentücher und es besteht eine gute Möglichkeit, dass Fans des ehrlichen Autorenfilms bereits mit den Dardenne-Brüdern Kontakt hatten. Doch so unterschiedlich der Inhalt besagter Werke und Filmemacher auch ist, was die Filme eint, ist die Intensität ihrer Wirkung, definiert durch eine kräftige Schonungslosigkeit: Anders als viele ihrer deutschen Pendants stoppen sie nicht dort wo es weh tut, sondern gehen weiter, fordern und werfen wuchtig aus der Bahn, sollte man sich zu sehr auf das Gesehene einlassen – gute Chancen also, dass CODE 37 sich ebenfalls durch rohe Direktheit definiert, bietet das Material doch ein enormes Potential für nagenden Psychothrill.
Doch trotz 18er-Freigabe auf dem deutschen Heimkino-Markt, entpuppt sich die zweite Staffel der Serie kaum als Kandidat für Film-induzierte Bauchschmerzen, oder unangenehme Klöße im Hals – CODE 37 ist zwar schroffer als POLIZEIRUF, oder SOKO-LEIPZIG und sicher nicht vollkommen harmlos, aber leider weniger Psychothriller, sondern durch und durch eine solide Krimiserie, irgendwo zwischen C.S.I.-Gent, TATORT-Belgien und dezenten Neo-Noir-Einschlägen. Trotz krassen Themen lassen die Episoden sich fluffig weg gucken, anstatt mit Mark-erschütternden Vergewaltigungs-Szenarien der Marke IRRÉVERSIBLE auf Tuchfühlung zu gehen. Von Täterbildern in der Polizeistation, über kleinteilige Ermittlung vor Ort, bis zur kombinatorischen Erschließung von Indizien, die Szenarien sind so bekannt wie etabliert, was jedoch keineswegs gegen das Format spricht – Krimis werden seit eh und je von der Stange gedreht, auf das wie kommt es an und dieses wie kann sich größtenteils mit Stolz sehen lassen: Inszenatorisch legen die zwei wechselnden Regisseure Verbruggen und Mielants reichlich Tempo an den Tag, scheuen krasses Colourgrading und audiovisuelle Spielereien nicht (was gelegentlich ein wenig zu nah an offensichtlichen Vorbildern wie Tony Scott entlang schrammt) und schaffen gelungene Übergänge zwischen harten Momenten und lockerer Stimmung – letztere herrscht nicht selten vor.
Maes’ Team besteht nämlich aus einer Reihe sympathischer Klischees, deren Interaktion auf menschlicher Ebene gut funktioniert und humoristisches Potential bietet: Da wäre das Nesthäkchen, ein geekiger PC-Experte (aka Hacker), welcher über digitales Profiling Verdächtige enttarnt, aber noch bei seiner Mutter wohnt, da wäre der aufbrausende, vulgäre Sprüche kloppende Hard-Boiled-Detective, der auch mal zulangt, ausschließlich Lederjacken trägt und im Verhör auf den Bad-Cop Job geeicht ist und zuletzt gibt es den desillusionierten alten Haudegen, schon ewig im Job, aber zynisch unterwegs und privat ein Wrack. Diese Konstellation bietet Reibungsflächen, welche die Autoren nutzen um den ein oder anderen lockeren Gag heraus zu holen. Auch die Fälle werden mit privaten Verknüpfungen garniert – so bangt Haudegen Charles Ruyter zum Beispiel einmal um seinen eigenen Enkel in den vermeintlichen Fängen eines Triebtäters – was jedoch selten schockt, sondern eher für eine Grundstimmung sorgt, die weit heiterer als erwartet schmeckt.
Wirklich interessant wird CODE 37 jedoch abseits der recht konventionellen (und leider nicht sonderlich komplexen) Schemata aus Tätersuche, Alibis und Doppelbödigkeiten: Maes’ Vergangenheit ist dunkel – in der ersten Season wurde ihre Mutter vergewaltigt, ihr Vater entführt und ihre private Vendetta gegen die Täter eingeleitet – nach einem radikalen (Haar)schnitt zu beginn dieser 13 Episoden geht die Suche weiter und Maes dringt immer tiefer in bedrückende Strukturen aus Militär-Komplotts und Verschwörungen ein. Es sind diese Handlungs-Stränge, welche intensiven Thrill und eine undurchsichtige Dunkelheit in die Serie einfließen lassen und Maes bald schon Zwangsbesuche bei einer Psychologin bescheren, um einer Suspendierung entgegen zu wirken. Leider geht es quantitativ weit mehr um Lösungswege der jeweiligen Fälle-der-Woche (die aber durch wechselnde Milieus, Undercover-Ermittlungen im Gefängnis und reichlich Ortswechsel immerhin so abwechslungsreich wie möglich gehalten werden), als um diese weitaus interessanteren Nebenplots.
Betrachtet man, wie tief CODE 37 in Felder wie Täterpsychologie, Moral, etc. einsteigt – oder eben nicht, denn weder in den Köpfen der Verbrecher, noch der Ermittler wird allzu tief gegraben – verhärtet sich der Verdacht, dass die Macher die abgründigen Themen einzig als Aufhänger für eine unterhaltsam-lockere Krimi Serie (mit kleineren Gewaltspitzen) nutzen wollten. Schuldig, im Sinne der Anklage. Aber halt: Einspruch. Da das Resultat enorm stylisch aussieht und noch dazu von tollem Schauspiel (nicht nur von Baetens) getragen wird, sieht das Gericht von einer Haftstrafe im Genter Frauenknast ab. Auch rein unterhaltsame Serien wollen gedreht werden und somit ist CODE 37 eine gesunde Abwechslung im von TATORT und Schwedenkrimis dominierten deutschen TV-Alltag.
Wertung
5-6 von 10 dreckigen Rotlichtclubs
Veröffentlichung
CODE 37 – STAFFEL #2 wurde bei ZDF Neo ausgestrahlt und ist im April 2015 bei Edel:Motion Film als BluRay & DVD erschienen. Die Discs kommen mit deutschem Ton und ohne Untertitel.
Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
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