Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by STUDIOCANAL
Fakten
Jahr: 2004
Genre: Mashup, Martial Arts, Action, Exploitation
Regie: Quentin Tarantino
Drehbuch: Quentin Tarantino
Besetzung: Uma Thurman, David Carradine, Michael Madsen, Vivica A. Fox, Lucy Liu, Shin’ichi Chiba, Bo Svenson, Daryl Hannah, Sid Haig, Julie Dreyfus, Perla Haney-Jardine, Chia-Hui Liu
Kamera: Robert Richardson
Musik: Robert Rodriguez
Schnitt: Sally Menke
Review
Bill: “Do you find me sadistic? […]”
Kiddo: “Bill, it’s your ba…” – BOOM!
Die Reise geht weiter, genau da, aber doch ganz anders als sie aufgehört hatte. Nachdem KILL BILL VOL. II in der ersten Einstellung exakt mit dem selben s/w-Close up der Braut, wie bereits KILL BILL VOL. I beginnt, uns also schnell und überdeutlich zurück vor Augen holt, womit wir es hier zu tun hatten (und haben werden), bricht plötzlich die vierte Wand und die Braut, von Bill “liebevoll” Kiddo genannt, die wir zuvor bei zwei Stunden verbitterter Jagd nach ihren Peinigern kennengelernt haben, sitzt mit wehendem Haar am Steuer eines klassisch-coolen Cabrios und spricht direkt zu uns: “Looked dead, didn’t I? But I wasn’t. But it wasn’t from lack of trying, I can tell you that. Actually, Bill’s last bullet put me in a coma. […] I’ve killed a hell of a lot of people to get to this point, but I have only one more. The last one. The one I’m driving to right now. The only one left. And when I arrive at my destination, I am gonna kill Bill.“
Ein wenig seltsam, fast plump, wirkt diese abstrahierte Form von “ihr wisst noch, oder?” schon, dochhoch wahrscheinlich ist, dass ein Verleih der dem Publikum nicht zutraute einen vierstündigen Film auszusitzen, demselben Publikum erst recht nicht zutraute, sich nach der “schier endlosen” Zeitspanne von sechs Monaten noch an etwas so banales wie den Inhalt eines Films zu erinnern – Anzugträger die den Befüllern der eigenen Bankkonten ein funktionierendes Hirn attestieren, wo kämen wir denn da hin? Nein, da musste selbstverständlich nachgeholfen werden und es wirkt, als hätte Quentin Tarantino sich aus diesem offenkundigen Zwang heraus wenigstens noch einen kleinen Spaß mit der medialen Darstellung seines Films gemacht (Kiddo: “When I woke up, I went on what the movie advertisements refer to as a roaring rampage of revenge.“).
So viel zur Eröffnung, nun zum Inhalt: KILL BILL VOL. II ist anders als VOL. I und das ist auch gut so. Konnte der Vorgänger (oder präziser: die erste Filmhälfte) noch problemlos als eigenständig bestehen, so trifft dies auf den Abschluss (oder präziser: die zweite Filmhälfte) nur noch bedingt zu. Zwar ist VOL. II der Teil dieses Films, der die lang ersehnten Antworten liefert, Hintergründe beleuchtet und natürlich auch den bittersüßen Abschluss einer traurigen Odyssee serviert (eiskalt, versteht sich), doch eilt der Antwort ja bekanntlich die Frage voraus und ohne Start kein Ziel. Lange Rede: KILL BILL ist kein Zweiteiler, sondern ein Film (daran ändert der leichte Wechsel des Tones zwischen den Teilen gar nichts) und sollte wenn nicht direkt, so doch mit möglichst kurzem Abstand zueinander genossen werden.
Budd: “That woman, deserves her revenge and… we deserve to die.“
Jeder bekommt, was er verdient. Doch muss Kiddo nun keine Armeen von Leibwächtern mehr mit ihrem Schwert zu Carpacio verarbeiten, denn VOL. II ist stiller, weniger over-the-top und melancholischer. Attribute, die der Gesamtwirkung vor allem einen wichtigen Aspekt hinzufügen: Menschlichkeit. Die Rache wird vom blutrünstigen, “coolen” Killing Spree auf eine persönlichere Ebene gebracht und so tatsächlich emotionaler. Tragischer. Berührender. Nach der blinden Wut folgt nun die Bitterkeit, nach dem brutalen Befreiungsschlag nun die Frage nach dem Warum. Alles macht den Anschein, dass eine lange Reise sich dem Ende nähert. Doch was kommt dann? Danach?
Wenn VOL. I den Körper dieses Epos ausformte, gibt VOL. II ihm die Seele, oder erlaubt zumindest einen tiefen, aufschlussreichen Blick in sie hinein.
Was ist dieser ominöse “Deadly Viper Assassination Squad”, wer ist die Braut, wer Bill und was zum Teufel hat dazu geführt, dass er sie schwanger auf ihrer Hochzeit erschossen hat? Fragen über Fragen – die Antworten erfahren wir nun, es geht zurück in der Zeit, teilweise weit, hinweg zu schönen Momenten aus vergangenen Tagen. Einblicke in die verflossene Epoche, als in Kiddo’s Leben noch Raum für Liebe war – Liebe, die sie auf immer verloren glaubte, aber vielleicht im Laufe der Ereignisse noch wiederfinden kann.
“Well no one told me about her […] but it’s too late to say i’m sorry.” (aus Malcolm McLaren – ABOUT HER)
Tarantino greift hier alles auf, was im Vorfeld noch offen blieb, gibt dem geheimnisvollen Bill eine Bühne, zeichnet seine frühere Beziehung zu Kiddo (deren Name immer noch nicht ihr wahrer ist, doch nun nicht mehr weg-gebeept wird), lässt uns verstehen warum sie derart übermenschlich kämpft, führt ihre Reise an ihr schicksalhaftes Ziel – und noch viel mehr, denn auch KILL BILL VOL. II platzt vor großartigen Einfällen, Reminiszenzen und Abscheulichkeiten. Erst diese Zusammenführung sämtlicher loser Fäden macht vollständig deutlich, wie genial uns Tarantino im ersten Teil des Werkes angefüttert hat – so wenig wie möglich, so viel wie nötig, keine Szene und kein Wort mehr als es brauchte. Formell ist das alles nach wie vor über jeden Zweifel erhaben, da stilistisch eine völlig konsequente Fortführung von VOL. I, der wilde Genre-Mix wurde allerdings maßgeblich um eine Portion Drama erweitert – mit Erfolg: besonders gegen Ende beweist Quentin, dass er sehr wohl weit mehr als coole Oberflächlichkeiten in seinen Filmen zu verpflanzen vermag. Trotz all des over-the-top Wahnsinns auf dem Weg zu Kiddo’s selbst gewählter Bestimmung (und ja, auch VOL. II ist in seinen Kämpfen und Action-Momenten wieder wahnsinnig intensiv und irre) stimuliert KILL BILL im Abschluss nicht etwa die sonst so angestrengten Lachmuskeln, oder den Sinn für Action, sondern trifft im linken Teil der Brust genau ins Schwarze und geht ernsthaft nah.
B.B. “Bang! Bang!”
Bill: “You’re dead Mommy… So die.“
KILL BILL ist wahnsinnig intensives Gesamtwerk. Witzig, skurril, mal auf lockere, mal auf schockierende Art brutal und überraschenderweise ziemlich emotional. Übergeordnet wohl wirklich ein “Rache-Epos” mit allem was dazu gehört, der Pein, der Verzweiflung, der kalten Ausführung, aber eben auch (und das addiert das Quäntchen, welches den Film in meinen Augen von sehr gut zuzu perfekt erhebt) mit einem Statement zur abschließenden Erlösung – das Werk fragt: Kann Rache wirklich Genugtuung bringen? Was kommt danach? Tarantino zeigt uns, wie Kiddo den Menschen in sich wiederfindet, doch wer KILL BILL gesehen hat, dem ist sofort klar, dass es im Endeffekt nicht die Rache ist, die dies bewirkt, sondern das wiederfinden des verlorenen Gefühls in sich.
“The lioness has rejoined her cub, and all is right in the jungle.“
Meisterwerk!
Wertung
10 von 10 unterirdischen Särgen
Veröffentlichung
KILL BILL VOL. II ist bei STUDIOCANAL in mehreren Editionen als BluRay und DVD erschienen. Im Bonusmaterial befinden sich: Auftritt der Band CHINGON bei der Premiere von Kill Bill Vol. 2, Making of Kill Bill Vol. 2, Zusätzliche Szene: Damoe. Die Discs kommen im Wendecover ohne FSK Logo.
Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
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Ein Gedanke zu „Quentin Tarantino #4.2: Kill Bill Vol. II (2004)“