Dokumentation: Joy Division (2007)


Trailer © by Ascot Elite Home Entertainment


Fakten
Jahr: 2007
Genre: Dokumentation, Musikfilm, Biopic
Regie: Grant Gee
Drehbuch: Grant Gee
Interviews: Richard Boon, Anton Corbijn, Kevin Cummins, Ian Curtis, Bob Dickinson, Lesley Gilbert, Iain Gray, Rob Gretton, Martin Hannett, Annik Honoré, Peter Hook, John Peel
Kamera: –
Musik: Joy Division
Schnitt: Jerry Chater


Review
“Punk enabled you to say “Fuck you!”, but somehow it couldn’t get any further. It was just a single, venomous, one syllable, two syllable phrase of anger. Which was necessary to re-ignite rock’n’roll, but sooner or later someone was gonna want to say more than “Fuck you!”. Someone was gonna want to say: “I’m fucked!”. And it was Joy Division who were the first band to do that. Who used the energy and simplicity of punk to express more complex emotions.”

So heißt es relativ zu Anfang in Grant Gee’s Dokumentarfilm JOY DIVISION, der seinem Titel absolut treu folgend, von der Formation, Entwicklung und dem tragischen Ende der legendären Band erzählt. Doch Joy Division waren und sind auch heute noch mehr, als nur die Band, die Emotion in den Punk gebracht hat. Joy Division sind Musikgeschichte, ihr Einfluss war und ist geradezu unendlich, der heutige Indie, die elektronische Musik und alles was dazwischen liegt wären vielleicht auch ohne sie da, aber ganz sicher anders (und nicht unbedingt besser) als sie es sind.
Generationen an Folgebands hätten anders geklungen.
Alles wäre ohne sie anders gekommen!

Wie haben sich die Musiker Mitte bis Ende der Siebziger kennengelernt, wie haben sie musikalisch begonnen, was war ihr Ziel, wie lief die Entwicklung? All dies wird ausführlich durch Interviews mit den Bandmitgliedern, mit Journalisten der Zeit, mit Beteiligten des Entstehungsprozess der Veröffentlichungen (Cover-Designer, Tontechniker) erzählt und durch rare Live-Aufnahmen von Fans, aus dem Fernsehen, etc. wunderbar anschaulich nachgezeichnet.

Wird erlebbar gemacht.

Die Stimmung des heruntergekommenen Manchester von 1976 fängt Gee sehr authentisch ein, zahlreiche Mitschnitte von wilden Partys vermitteln die Aufbruchstimmung der perspektivlosen, jungen Punk-Szene.
Doch das ist es noch nicht.
Dieser Dokumentarfilm schafft mehr, als nur ein Zeitportrait zu malen, oder die Entwicklung einer Subkultur auszuleuchten.

Joy Division, das waren vier Musiker und einer davon war Ian Curtis. Auf der Bühne wie in Trance, verloren in einem transzendenten Zustand, der Geist wie in einer anderen Welt aus Klang und geheimnisvoller Bedeutung, als Mensch Kunst-affin und unheimlich belesen (die Verbindung zwischen Klassikern der Literatur und Joy Division’s Musik wird hier ebenfalls ganz selbstverständlich beleuchtet), mit einem Bein im bürgerlichen Privatleben mit Haus, Frau und Kind, mit dem anderen auf der Bühne und ein halber Punk. Zwei Welten, die eine einzigartige Persönlichkeit wie er von außen betrachtet scheinbar kaum merklich vereinte.

Um ihn dreht sich der Hauptteil des knapp 100 Minuten langen Films, speziell die zweite Hälfte, allerdings besteht durch die dauerhafte Präsenz der anderen drei Bandmitglieder nie die Gefahr Ian Curtis alleinig mit Joy Division gleichzusetzen – sie werden einfach als die Band gezeigt, die sie waren. Doch wie zu erwarten ist, je weiter die Entwicklung voran schreitet, umso düsterer und bedrückender werden die Geschichten, die die hinterbliebenen Musiker Hook, Morris und Summer, sowie auch seine damalige “Geliebte” Annik Honoré erzählen:

Die Epilepsie, die Medikamente, die Veränderungen in seiner Persönlichkeit, bis hin zur absoluten Entfremdung von der Welt (“Er erzählte mir, er hatte das seltsame Gefühl in einem Whirlpool gefangen zu sein, der ihn unerlässlich in den Strudel zog”). Das alles geht nah. Als dann irgendwann die drei gestandenen Männer (welche vorher noch in klassischer Manier behaupteten, dass Männer ja nicht sprechen und ihre Gefühle mit sich selbst ausmachen) mit den Tränen ringen und es klar wird, dass sie sich bis heute Vorwürfe machen, die Zeichen nicht früher erkannt zu haben, kann leicht auch vor dem Schirm eine Träne kullern. Speziell die Gegenüberstellung von Dingen die Curtis gesagt hat und den Texten die er für die Songs auf CLOSER schrieb, erzeugt einen kalten Schauer.

Eine traurige Geschichte, deren Bitterkeit hier wirklich ergreifend vermittelt wird. Und egal wie oft man UNKNOWN PLEASURES, CLOSER, die diversen Live-Mitschnitte und die Single-Sammlungen von Joy Division schon gehört hat, hier nach klingen sie nochmal ein kleines Stück anders – sowohl bitterer, als auch schöner..

“Don’t turn away, in silence.
Your confusion,
My illusion,
Worn like a mask of self-hate,
Confronts and then dies.
Don’t walk away.”


Wertung
9 von 10 tragischen Band-Enden


Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
AMAZON (*) (falls ihr das Widget nicht seht, wird es von eurem Ad-Blocker gekillt):

2 Gedanken zu „Dokumentation: Joy Division (2007)“

  1. Ich habe die Doku seit Jahren auf DVD, habe es seit dem ersten Schauen aber nicht nochmal übers Herz gebracht, sie nochmals zu schauen. Du hast es perfekt zusammengefasst. Mich hat vorallem Annik fertig gemacht. Einfach nur durch ihre Ausstrahlung, Mimik und Gestik.

    1. Ja, mir ging das auch sehr nah. Diese Hilflosigkeit die sie alle auch 30 Jahre später noch ausstrahlen.. Wahrscheinlich macht man sich sein Leben lang Vorwürfe. Seit ich diesen Film kenne, hat die sowieso schon krass emotionale Musik der Band für mich noch einen weiteren Subtext bekommen

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