Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Tiberius Film
Fakten
Jahr: 2014
Genre: Horror, Mockumentary, Found-Footage
Regie: Adam Green
Drehbuch: Adam Green (basiernd auf Ideen von Alex Pardee)
Besetzung: Ray Wise, Adam Green, Will Barratt, Josh Ethier, Kane Hodder, Rileah Vanderbilt
Kamera: Will Barratt
Musik: Bear McCreary
Schnitt: Adam Green, Will Barratt, Josh Ethier
Review
Seit Jahrzehnten erschaffen Heerscharen von Horror-Regisseuren die bizarrsten Kreationen – mutierte Freaks, Außerirdische, fremde Lebensformen – der Kreativität und Vorstellungskraft sind keine Grenzen gesetzt. Doch geht man über die offensichtliche Freude an einfallsreichem Handwerk hinaus, an die Basis dieser Ideen zurück, stellt sich irgendwann zwangsweise die Frage nach Ursprung und Ausmaß dieser fremdartigen Faszination. Schwingt nicht tief in all dem aufopferungsvollen Basteln und Schaffen vielleicht auch der Wunsch mit, dass irgendwo auf dieser Welt, von der Menschheit unentdeckt (oder schlicht nicht wahrnehmbar) mehr ist, als das was unsere Wahrnehmung und Weltsicht uns alltäglich vorgibt (oder gar -gaukelt)? Die Faszination des mystischen, obskureren ist schwer greifbar und noch schwerer erklärbar – nicht umsonst schütteln große Teile der (“normalen”) Gesellschaft nur unverständlich den Kopf über die Vorlieben der Horror-Fan Gemeinde – geht sie also gar über das Fiktionale hinaus? Ist dies nur Platzhalter? Dürften die eskapistischen Traumwelten des Kinos nicht mal ein Quäntchen realer sein? Was wäre wenn? Wenn irgendwo tatsächlich dunkle Kreaturen, die wir nicht verstehen, und die uns eine Heiden-Angst einjagen, auf dem Antlitz der Erde ihr Unwesen treiben? Liegt nicht in der Erschaffung erdachter Wesen, die genau diese (wahrscheinlich recht gering ausgeprägte) Wunschvorstellung befriedigen, ein tatsächliches Verlangen versteckt – so klein es auch sein mag? Eine Hoffnung?
Adam Green: “What if Victor Crowley was real? Wouldn’t that be awesome?”
Will Barratt: “You know that Victor Crowley kills people, right?“
Eben dieser Fragen nimmt sich die 2014er Mockumentary DIGGING UP THE MARROW an und ist somit weit mehr Meta und Genre-reflektiv als es auf Anhieb erscheinen mag. Angeblich mit dem Privileg gesegnet, Zugang zu einer Zwischenwelt zu haben, in die es gesellschaftlich verstoßene Menschen, deren Antlitz von Mutationen und Wucherungen geprägt ist, hinein zieht, tritt der ehemalige Police Detective Dekker auf den Filmemacher Adam Green und seine Produktionsfirma ArieScope zu – stilistisch als echte, klassisch umgesetzte Dokumentation getarnt, spielen alle Beteiligten sich selbst, Green ist also auch im Film der Macher von HATCHET und ein begeisterter Horror-Geek – um endlich Gehör zu finden, nachdem die restliche Welt ihn bereits als Spinner abgeschrieben hat. Er würde nachts Wesen aus einer Öffnung im Wald-Boden, von ihm “Marrow” genannt, heraufsteigen und durch die Lande wandern sehen, hätte als Kind schon die ersten Begegnungen gehabt und sei seitdem als stiller Beobachter und Erforscher dieser sonderbaren Spezies ihrem Verständnis verschrieben. Skeptisch, aber angefixt, machen Green und sein Kameramann sich gemeinsam mit Dekker auf die nächtliche Suche, die Hoffnung auf etwas wahrhaftig übernatürliches treibt sie an.
Seinem Ziel nähert der Film sich dabei in einer Mischung aus vermeintlichen Interviews mit Dekker (der von einem schier brillant aufspielenden Ray Wise äußerst dubios und facettenreich dargestellt wird) und, während die Gruppe auf Monstersuche geht, oder zur Sichtung des Materials im Schneideraum sitzt, gängigen Found-Footage-Elementen. Wer also bei letzterem und exzessiver Handkamera vollkommen rot sieht, braucht (eigentlich) nicht weiter zu lesen, denn handwerklich agiert DIGGING UP THE MARROW dauerhaft auf diesen zwei Ebenen. Dem Film aufgrund seiner Form die Chance zu verwähren, wäre allerdings mehr als schade, denn auch wenn Suspense und Creepiness im klassischen Horror-Sinne sich (falls überhaupt) erst in den letzten 10-15 Minuten entfalten, bietet Green’s augenzwinkerndes Projekt einige gelungene Aspekte, die die 90 Minuten Laufzeit nicht zum riesigen Wurf, aber doch zu einem vergnüglichen Erlebniss machen.
Primär packen Enthusiasmus und Begeisterung, mit der der Macher on-Screen bei der Sache ist. Trotz recht begrenzter schauspielerischer Möglichkeiten gelingt es ihm, die Faszination der zu Anfang ausgebreiteten Eventualitäten aus jeder Pore zu versprühen (woraus im gleichen Zug eine beeindrucke Fühlbarkeit seiner Liebe zum Horror-Genre entsteht), was gepaart mit dem leichten Situationshumor eine belebende Stimmung schafft. Sein Gegenpol, Wise als selbsternanntes Monster-Medium, spielt ihn zwar mit jedem Blick an die Wand, verdeutlicht dadurch aber zum einen nur umso deutlicher, wie tragisch die schleichende Verramschung (zum Beispiel durch uninspirierte DTV-Filmchen wie THE LAZARUS EFFECT) des durch TWIN PEAKS legendär gewordenen Darstellers eigentlich ist – man könnte ihm nämlich Stunden zusehen und mit Genuss jede mimische Regung zelebrieren – und schafft zum anderen durch kleinere Kniffe im Skript satirische Parallelen zu realen “Verschwörungstheoretikern” und “Spinnern”, die abstruse Theorien ausbreiten und bei jeder kleinsten kritischen Nachfrage aggressiv an die Decke gehen. Das macht einfach Spaß.
Adam Green: “Trust me, I wouldn’t make the same joke twice.”
Will Barratt: “Come on, we’ve seen HATCHET 2!“
Und obwohl man die oldskoolig-handgemachten “Monster” nur selten tatsächlich zu Gesicht bekommt, hat DIGGING UP THE MARROW dennoch optisch einiges vorzuweisen. Die Prämisse des Films baut auf großartigen Artworks und einer fiktiven Story auf, die der Fan und Künstler Alex Pardee an Green schickte – eben diese Zeichnungen und Designs haben ihren Weg in den Film gefunden, der durch diesen Aspekt, wie auch die Einbindung von realen Bildern (z.B. Fotos missgestalteter Säuglinge, die verdeutlichen was Dekker in der Marrow vermutet, oder Material von Conventions) eine gewisse Erdung erhält. Klar, durch die Besetzung von Wise wird gar nicht erst versucht, das Ganze in Found-Footage-Manier “real” wirken zu lassen, doch das braucht es auch nicht, denn Green und co. zelebrieren uneitel ihre Idee und spielen mit den zugrunde liegenden Gedanken – das macht einfach Spaß².
Gemessen an den anfangs gestellten Fragen, kommt der Film im Verlauf zu einem interessanten Fazit, dass sich blendend auf zahlreiche andere Bereiche des Lebens abstrahieren lässt: so verlockend es auch erscheinen mag den “Sleeping Giant” zu wecken, zu hoffen dass unsere schlimmsten (und doch faszinierenden) Albträume partiell zur Realität werden, sind wir doch allesamt besser beraten, wenn wir derartiges Gefahrgut unbekannten Ausmaßes wie gehabt in Filmform verweilen lassen. Wer mit dem Feuer spielt, kann (und wird) sich (irgendwann zwangsweise) die Finger verbrennen, also merkt euch Kinder: es gibt keine Monster… zumindest, bis ihr den nächsten Film in euren Player füttert.
Wertung
5-6 von 10 mutierten Erdbewohnern
Veröffentlichung
HOW TO CATCH A MONSTER – DIGGING UP THE MARROW erscheint heute bei Tiberius Film als BluRay und DVD. Im Bonusmaterial befinden sich: Deleted Scenes, Making of, Trailer. Die Discs kommen in O-Card und mit Wendecover ohne FSK-Logo.
Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
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