Trailer © by Paramount Home Entertainment
Fakten
Jahr: 2013
Genre: Melodram, Roadmovie, Tragikkomödie
Regie: Alexander Payne
Drehbuch: Bob Nelson
Besetzung: Bruce Dern, Will Forte, June Squibb, Bob Odenkirk, Stacy Keach, Mary Louise Wilson, Kevin Kunkel, Devin Ratray, Angela McEwan
Kamera: Phedon Papamichael
Musik: Mark Orton
Schnitt: Kevin Tent
Review
Alexander Payne, Selbstfindung und die Familie – irgendwie gehört das zusammen, wie die schwarze und die weiße Farbe in den Bildern von NEBRASKA.
Was zunächst noch den Anschein einer verqueren, aber doch recht ulkigen Angelegenheit macht – ein sturköpfiger älterer Herr will auf Teufel komm raus zu einer zwei Bundesstaaten weiter sitzenden Firma reisen, zur Not zu Fuß, weil ihm ein SPAM-Postwurf die Chance auf den Gewinn von einer Million Dollar verspricht – entpuppt sich in gemütlichem Tempo als tief melancholische Reise in eine vergangene Welt aus geplatzten Träumen, verpassten Chancen und unausgesprochenen Vorwürfen.
Bruce Dern spielt diesen Mann, namentlich Woody Grant, vollkommen uneitel, glaubhaft und höllisch intensiv: das Haar wirr im Winde flatternd und er selbst ein trinkender Stinkstiefel, der immer wieder von einer Sekunde auf die andere völlig neben sich steht – eben noch feuert er sarkastische Sprüche in die Welt ab, plötzlich wandert er verwirrt umher und erkennt bekannte und geliebte Menschen nicht mehr. Wuchtig scheint Payne zunächst eine geballte Ladung an unabwendbaren Problemen des Alterns auf den Zuschauer abzufeuern, doch nachdem Will Forte als sein Sohn David beschließt den Vater ins Auto zu setzen, um ihm tatsächlich seine irrwitzige Reise zu ermöglichen, beginnt ein gemeinsamer Roadtrip, in dessen Verlauf sich nach und nach vor allem bittere familiäre Abgründe eröffnen.
Wer ist sein Vater eigentlich? Warum trinkt er? Warum klammert er sich so verzweifelt an den illusorischen Gewinn? Es ist nicht (nur) das Alter, was ihn senil werden lässt, viel mehr existieren Probleme die tiefer sitzen und noch nie bis an die Oberfläche durch schienen. Zu dieser Erkenntnis ist es ein weiter Weg, denn Stück für Stück beginnt David zu realisieren, dass er seinen Vater eigentlich kaum kennt – die ungewohnte Nähe fördert eine bereits ihr Leben lang andauernde, kühle Distanz zwischen den Generationen zu Tage. Schleichend und vorsichtig kommen die zwei sich näher und während sie in den endlosen Weiten der amerikanischen Einöde unterwegs sind, einer Landschaft die wundervoll den verlorenen Seelenzustand der Hauptfigur wiederspiegelt, kommt einiges zur Sprache, was nie ausgesprochen wurde. Direkt und non-verbal werden Geheimnisse gelüftet, denn David erlebt seinen Vater Woody in persönlichen Momenten, die noch viel mehr als alle Worte vermitteln. Subtil streuen Payne und der Autor des Skripts Bob Nelson (erstmalig hat Payne seinen Film nicht selbst geschrieben) so Informationen ein, die kleine Fetzen der Vergangenheit freilegen: Was hat Woody zu dem werden lassen was er ist? Wo ist er im Leben falsch abgebogen? Wann hat er den Falschen vertraut und wurde schamlos ausgenutzt? Fragmente aus Woody’s Leben beginnen auf David einzuprasseln und der Eindruck entsteht, dass erst ein Ausbruch aus dem alltäglichen Trott notwendig war, um die ewige, stahlharte Fassade seines alten Herren zum Bröckeln zu bringen – und das tut sie, doch was darunter liegt ist bitter. War Woody jemals wirklich glücklich?
Neben diesem so tragisch, wie humoristisch umgesetzten Charakterdrama, kann NEBRASKA noch eine weitere starke Komponente vorweisen: einen unverfälschten Blick auf die unangenehmen Folgen gesellschaftlicher Konvention. Alles im vorliegenden Setting ist so amerikanisch, wie nur möglich. Die Felder, die Kleinstädte im mittleren Westen, die Farmer, die in Karohemd und Truckercap in ihren Pickups unterwegs sind – der Eindruck wird von Bildsprache und dem von Bluegrass und Folk angehauchten Score noch enorm verstärkt. Doch unterm Strich sind es genau die ungeschriebenen Regeln dieser Gesellschaft, die Woody einen Lebensweg beschert haben, den er sich wahrscheinlich so nicht ausgesucht hätte. Auch dies verpackt Payne subtil. Kein Holzhammer, kein erhobener Zeigefinger, nur stille Beobachtung des Stillstands, die ihre eigene, klare Sprache spricht.
Ein stiller, melancholischer Film in dem viel über das Leben im Allgemeinen, und das Verhalten der Menschen im Speziellen steckt. Gute (wenn auch nicht überragende) Bilder und viel Wahrheit, vor der man gern die Augen verschließt. Nicht Payne’s bester, aber eine gelungene Tragikkomödie.
Wertung
7 von 10 leeren und endlosen Landschaftbildern
Weblinks
IMDB
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