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LP: Oneohtrix Point Never – Garden Of Delete (2015)


Quelle: Oneohtrix Point Never YouTube-Kanal


Zwei Jahre nach dem durch und durch großartigen R PLUS SEVEN legt der gute Mann mit dem griffigen Namen die nächste LP namens GARDEN OF DELETE nach. Im Vorfeld schon mit einigen Singles (zumindest auf Spotify) angeteased, waren Vorfreude und Erwartungen hoch – als das Album dann auf WARP droppte, wurden sie übertroffen.

Wer dachte es würde evtl. wieder leichter werden, hat sich geschnitten, denn Oneohtrix‘ abstrakte Klangwelten sind sperrig, fordernd und vertrackt wie nie zuvor: Synthesizer flackern, Flächen schweben, Persussion sprintet, stolpert, stürzt und rappelt sich auf, um das eigene Tempo spielend zu überholen. Musik, die die Massen an “2 Bars produziert, geloopt und fertig ist der Electronica-Tune”-Sound aus den Tiefen des Netzes süffisant grinsend in seine Schranken verweist. So wie das hier, wird Musik gemacht. Mit Liebe für’s Detail, mit Hingabe und mit dem seltenen Gespür, genau das zusammen zu führen, was auf Anhieb so konträr scheint. Kein Sound, der aus Presets und auf Eingängigkeit oder gar Clubtauglichkeit hin geschneidert wurde, sondern ein Exemplar einer seltenen Gattung: Ein vollkommen eigensinniges Album, in dem es auch beim zehnten Hören noch Details und Facetten zu entdecken gibt, die in der Fülle an Layern, Klängen und Strukturen zuvor ent- oder untergangen sind. Überladen ist hier dennoch keine einzige Sekunde, vielmehr hat Oneohtrix Songs erschaffen, die lebendig sind, eine Geschichte erzählen und darauf hoffen, dass man wirklich zuhört.  Ein kleines Meisterwerk in bester WARP-Tradition. LP: Oneohtrix Point Never – Garden Of Delete (2015) weiterlesen

Neuer Deutsch(sprachig)er Genrefilm #10: Victoria (2015)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Wild Bunch Germany & Universum Film


Fakten
Jahr: 2015
Genre: Drama, Thriller
Regie: Sebastian Schipper
Drehbuch: Sebastian Schipper, Olivia Neergaard-Holm, Eike Frederik Schulz
Besetzung: Laia Costa, Frederick Lau, Franz Rogowski, Burak Yigit, Max Mauff, André Hennicke
Kamera: Sturla Brandth Grøvlen (♥)
Musik: Nils Frahm
Schnitt: Olivia Neergaard-Holm


Review
Die Strobo-Blitze flackern. Ein endloser Rhythmus, stetig und pausenlos, wie ein natürlicher Puls, der direkt in diesen ersten Sekunden den konstanten Fluss der nächsten 140 Minuten vorgibt. Auf einen Takt ein-grooved, der nicht abklingen wird, weil VICTORIA ihn wie einen Herzschlag verinnerlicht hat und durch ihn lebendig wird. Pures, ungefiltertes Leben ist und wie dieses ohne Unterlass voran schreitet – immerfort weiter, ohne Pause, ohne die Möglichkeit sich auszuklinken. Als sich bald aus den Blitzen erste Schemen, aus den Schemen langsam Formen und aus diesen die unscharfen Umrisse einer hingebungsvoll tanzenden jungen Frau ergeben, haucht eine verzerrte Stimme leisen Gesang über den Bass-lastigen Beat: “Burn with meeeeeeee“. Und vielleicht steckt in diesen wenigen Worten bereits die nächste Verheißung dessen, was uns im Folgenden erwarten wird. Vielleicht drücken diese drei Silben alles aus, was es an Motivation braucht um die tanzende Victoria in den nächsten Stunden zu Dingen zu treiben, die sie nie für möglich gehalten hätte. Nur einmal wieder brennen. Für irgendetwas. Ein einziges Mal wieder Leidenschaft verspüren, die emotionale Leere aufbrechen. Wahrgenommen werden. Leben. Neuer Deutsch(sprachig)er Genrefilm #10: Victoria (2015) weiterlesen

LP: Jamie XX – In Colour (2015)


Quelle: mariofreak444 YouTube-Kanal


Vor einigen Jahren habe ich mal ein Interview mit Jamie XX gelesen, in dem er voller Begeisterung davon schwärmte, wie schön es doch sei in der heutigen Zeit an dem Punkt zu sein, wo er gerade stand: Anfang zwanzig, begeistert von Musik und durch die Möglichkeiten des Internets (die die Menschen 20 Jahre vor ihm ja noch nicht gehabt haben) mit dem Privileg gesegnet, jede Woche aufs Neue die tollste Musik, die er jemals gehört hat entdecken zu können. Word! Nie war es einfacher ein umfassendes Musikwissen und -verständnis aufzubauen, nie war die Fülle an Einflüssen größer. Und was soll ich sagen.. Jamie XX hatte zwar bereits schon mit dem Remix Album WE’RE NEW HERE (und den The XX LPs) gezeigt was Sache ist, aber sein neues Album IN COLOUR steht für das Resultat dieser Entdecker-Mentalität: Der Mann hat Musikgeschichte verstanden. Konkreter: Er hat vor allem das Hardcore Continuum verstanden. IN COLOUR ist eine Reise durch die Zeit, die Stile und vor allem den Vibe der britischen Bassmusik der letzten 25 Jahre. Bereits der Opener OH MY GOSH ist pure Reminiszenz an den rohen Breaks-Sound vergangener Rave-Epochen: die unperfekt gesampleten Drums, der tragende Bass – unglaublich – doch spätestens wenn der quietschige Synth gegen Ende einsetzt, überschwemmt eine so intensive Welle an Erinnerungen und Eindrücken mein Herz, dass ich vor Nostalgie los weinen könnte.  Es folgen 10 Tunes, die wohl am treffendsten als logische Konsequenz einer Entwicklung zu begreifen sind. Jahrzehnte Clubmusik von House über Dubstep bis Breakbeat in einem Topf, vermengt, um etwas neues zu schaffen. Jamie nickt ehrfürchtig den Altmeistern zu, aber blickt entschlossen nach vorn, weil er begrifen hat, dass natürliche Entwicklung nie zum Stillstand kommen wird. Zum abheben und einfach nur großartig – ich schwärme!
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Film: Love Exposure – Ai No Mukidashi (2008)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Rapid Eye Movies


Fakten
Jahr: 2008
Genre: Drama, Liebesfilm, Wahnsinnstrip
Regie: Shion Sono
Drehbuch: Shion Sono
Besetzung: Takahiro Nishijima, Hikari Mitsushima, Sakura Andô, Yutaka Shimizu, Makiko Watanabe, Hiroyuki Onoue, Atsuro Watabe, Tasuku Nagaoka, Sô Hirosawa, Yûko Genkaku
Kamera: Sôhei Tanikawa
Musik: Tomohide Harada
Schnitt: Jun’ichi Itô


Review
Es kommt selten vor, wirklich selten, dass ein Film die Kraft besitzt alles zuvor im Kopf des Zuschauers dagewesene mit geradezu erschreckender Leichtigkeit davon zu fegen. Sich von jetzt auf gleich in den geistigen Vordergrund zu drängen, der Rest dahinten nur noch vage Schemen, und laut zu schreien: “Hier bin ich und egal, was du meinst bis jetzt gesehen zu haben, ich garantiere dir, so etwas wie mich kennst du noch nicht!” Diese Wirkung erreicht vielleicht ein Film alle paar Jahre. Doch selbst über diese seltene Gattung der Meisterwerke hebt sich Shion Sono’s 2008er Film LOVE EXPOSURE noch ein kleines Stückchen weiter empor – weil er nicht nur einmal derartig wirkt, sondern die totale Ausweitung jeglicher Grenzen und den nicht wieder zuklappen wollenden Kiefer auch bei jeder weiteren Sichtung erneut hervor ruft. Diese Achterbahnfahrten durch eine Welt aus fotografierten Schlüpfer und fanatischen Sekten immer besser werden. Ein Werk, das völlig eigen, in exotischem Maße größenwahnsinnig und streng genommen vollkommen unbeschreiblich ist – das man erleben muss, um auch nur eine Idee von der Intensität zu erhalten, die dieser Film erzeugen kann.

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Podcast(s): Durch den Podcatcher gejagt #3 (2015)

Neue Woche, neue Podcasts!
In den vergangenen Tagen gab (und den kommenden wird es) es einiges zu feiern (geben). Jubiläums-Galore!


  • Es ist unfassbar: Nerdtalk wird (zuerst) 400! In einer ausufernden Sendung #400 wird angestoßen und neben dem üblichen Programm zelebriert – u.A. mit 14 Audiokommentaren von Hörern und Podcastern (einer davon war ich). 400 Wochen Nerdtalk – echt der Wahnsinn!
  • Die Sternengeschichten berichten in Episode #122 von den Eigenschaften des Planeten Neptun. Richtig spannend wird jedoch die Nummer #123 zur Panspermie-Hypothese: Kam das Leben evtl. wirklich aus dem Weltall?
  • Das Bahnhofskino musste ich nun schon zwei Wochen auslassen, weil ich die zugrunde liegenden Bond-Filme noch aufholen muss. Nun spricht Patrick mit einem anderen Daniel in der Episode #127 über zwei Meisterwerke: AUDITION und UNDER THE SKIN. Ich habe gebannt gelauscht und mit Freude in mich aufgesogen, wie sehr die zwei letzteren (ebenso wie ich) schätzen. Podcast(s): Durch den Podcatcher gejagt #3 (2015) weiterlesen