Film: Primer (2004)


Trailer © by Tartan Films


Fakten
Jahr: 2004
Genre: Zeitreise, Science-Fiction, Mindgame
Regie: Shane Carruth
Drehbuch: Shane Carruth
Besetzung: Shane Carruth, David Sullivan, Casey Gooden, Anand Upadhyaya, Carrie Crawford
Kamera: Troy Dick
Musik: Shane Carruth
Schnitt: Shane Carruth


Ein völlig abgefahrener Low-Budget Zeitreise-Streifen!

Autor, Regisseur, etc. Shane Carruth nimmt sich in seinem Herzensprojekt besagter Materie auf die wohl wissenschaftlich-verkopfteste Art überhaupt an, lässt einen Haufen Mathematiker und Ingenieure gemeinsam Hardware bauen, wobei sie minutenlang Tech-Talk vom feinsten austauschen (was sowohl inhaltlich, wie auch akustisch für das Fremdsprachler Englisch-Ohr eine Herausforderung darstellt) und irgendwann die entscheidende Entdeckung machen, dass ihrer Bastel-Feder durch Zufall eine sehr eigen funktionierende Zeitmaschine entsprungen ist.

Ohne Spezialeffekte, wilde Optik und andere Bauernfängerei, dafür mit Diagrammen, Schemata und viel Diskussion zum Thema, wird uns erklärt wie das gute Stück funktioniert und diese Funktionsweise zu guter Letzt auf ein aufgemaltes A und B Schema heruntergebrochen – das hilft, denn genau dann wird beim ersten Seh-Durchgang von PRIMER klar, was sie da scheinbar gebastelt haben und wie es zu nutzen ist.

Also: Zettel, Stift und Taschenrechner bereitlegen! Die kastenförmige Maschine, deren Zweck es eigentlich sein sollte, durch Einfluss auf die Gravitation das Gewicht der in ihr enthaltenen Objekte zu reduzieren (hab ich das richtig verstanden?), fängt diese Objekte in einer Zeitschleife, die – aus Sicht des eingeschlossenen Objektes in endloser Echtzeit ablaufend – immer zwischen dem Zeitpunkt des Anschaltens der Maschine und dem Zeitpunkt des Eintritts des Objektes in die Maschine zirkuliert.

Hääää!?

Anschaulicher: Ich schalte die Maschine an (am Zeitpunkt A) und lege mich 3h Stunden später in sie (am Zeitpunkt B). Während ich in der Maschine liege, nähert sich die Zeit rückwärts wieder dem Zeitpunkt A. Wenn ich also nach meinem Eintritt zu Zeitpunkt B, exakt 3h in der Maschine liegen bleibe, komme ich wieder bei A an und würde beim Aussteigen genau meinem früheren Ich in die Arme laufen, welches im Moment meines Verlassens gerade die Maschine einschaltet.

Hmmm…

Ich hatte Glück, denn trotz maximaler Entfernung von platt-hollywood’schen Erklärungsmechanismen erschien mir dies alles beim Schauen ganz plausibel und ich hatte scheinbar direkt und richtig verstanden wie das System funktioniert  – von daher machte es für mich Sinn, dass die zwei Protagonisten anfangen die Maschine zum doppelten Durchleben einzelner Tage nutzen, um Aktienkurse zu beobachten und durch gezielte Trades nach und nach ein Vermögen anzuhäufen. Maximal sperrig, aber irgendwie doch verständlich.

Wirklich schräg wird es dann im letzten Viertel des (nur 77 Minuten kurzen) Films. Plötzlich tauchen andere Charaktere auf, die scheinbar ebenfalls durch die Zeit zurück gereist sind, einer der Zwei beichtet dem anderen, dass eine dritte Box existiert (vorher gab es je eine, für jeden der zwei Ingenieure), die schon seit dem ersten Experiment läuft und plötzlich schichten sich in halsbrecherischem Tempo verschiedenste verschachtelte Zeitebenen, in denen nie mehr voll klar ist, aus welcher Zeit der gezeigte Mensch stammt, zum wievielten Mal er den aktuellen Moment durchlebt und ob er überhaupt noch die ursprüngliche Version der gezeigten Figur darstellt.

Carruth, welcher Mathematiker, nicht Filmemacher war, lädt mit PRIMER zu einem wissenschaftlich anmutenden Rätselspiel der Extraklasse ein. Spätestens ab Minute 60 ist es (ganz sicher gewollter maßen) unmöglich den Überblick zu behalten, doch hier kommt der Punkt, an dem PRIMER so funktioniert, wie die Tage seiner Protagonisten in Verbindung mit der Zeitmaschine:

Tag 1 / Erstsichtung PRIMER: Dabei werden Informationen gesammelt und gespeichert. Am Ende des Films geht es (durch die Zeitmaschine aka Fernbedienung des DVD-Players) zurück an den Anfang.
Tag 2 / Rewatch PRIMER: Die bekannten Fakten stehen vor dem inneren Auge, das grundlegende System ist verstanden, mehr Achtung kann auf Details, Nebensätze, Variation der Krawatten, etc. fallen. Am Ende ist man schlauer und es geht zurück an den Anfang.
Tag 3 / zweiter Rewatch PRIMER: …

“Slowly, and methodically, he reverse-engineered the perfect [Moment]” Man ersetze in diesem Zitat “Moment” durch das Verständnis des Films, welches der Zuschauer sich ebenfalls “reverse-engineeren” muss und ein möglicher Weg zum Verständnis entsteht – für Freunde von sperrigen, andersartigen Filmen, deren Zugang man sich aktiv erarbeiten muss, eine spannende Herausforderung, für jeden sonst wohl der größte Bullshit aller Zeiten! Ich tendiere zu ersterem.

Zuletzt, für alle die daran verzweifeln, hier ist PRIMER entschlüsselt: Diagramme auf Servietten!

Wertung
7 von 10 verschachtelten Parallel-Zeitebenen


Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
AMAZON (*) (falls ihr das Widget nicht seht, wird es von eurem Ad-Blocker gekillt):

5 Gedanken zu „Film: Primer (2004)“

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