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Film: The Green Inferno – Director’s Cut (2013)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Constantin Film


Fakten
Jahr: 2013
Genre: Horror, Kannibalenfilm, Exploitation
Regie: Eli Roth
Drehbuch: Guillermo Amoedo, Eli Roth
Besetzung: Lorenza Izzo, Ariel Levy, Aaron Burns, Daryl Sabara, Kirby Bliss Blanton, Magda Apanowicz, Sky Ferreira, Nicolás Martínez, Ignacia Allamand, Ramón Llao, Richard Burgi, Matías López
Kamera: Antonio Quercia
Musik: Manuel Riveiro
Schnitt: Ernesto Díaz Espinoza


Review
Vor einigen Jahrzehnten, als die Welt noch klein erschien, Globalisierung eine in weiter Zukunft entfernte Entwicklung und exotische Kulturen vor allem unter dem mystischen Schleier des Unbekannten existierten, erblickte für eine kurze Zeit eine hohe Schlagzahl besonderer Horrorfilme das Licht der Welt: der Kannibalen-Film. Geboren aus der Angst vor dem Fremden und zwischen den Zeilen sicher auch als Loblied auf die fragilen Errungenschaften der Zivilisation zu begreifen – den menschlichen Triumph im Ablegen wilder, animalischer Triebe – zelebrierten diese eine Fülle an terrorisierenden Szenarien voll schockierender Bilder, in denen (auf den ersten Blick) “unschuldige” Protagonisten in die Fänge degenerierter, oder, zumindest durch die arrogante Brille der westlich-absoluten Weltsicht gesehen, gar nicht erst entwickelter Stämme fielen, um qualvoll und auf bestialische Weise den Weg in deren Magen zu finden. Morbide und teilweise, wie am Beispiel des Zugpferds CANNIBAL HOLOCAUST deutlich wird, aufgrund der Wahl der filmischen Mittel auch heute noch kontrovers diskutiert, jedoch filmisch nur eine kurze Strömung, die schnell abebbte. Ob dies mit der (vermeintlichen) zunehmenden Aufklärung des Menschen (und der wachsenden Verfügbarkeit fundierter Dokumentationen über Naturvölker, etc.), oder schlichtweg einer schnell sinkenden Attraktivität des Stoffes durch Abnutzungserscheinungen einher ging, ist eine Frage für Filmhistoriker – fest steht nur, dass “Peak Cannibal” schnell erreicht und überschritten war.

Spannend also, dass dieses spezielle Subgenre des Horrors, oder zumindest maßgebliche Charakteristika daraus, sich anscheinend in den letzten Jahren wieder zunehmender Beliebtheit erfreut und Eli Roth, Macher von HOSTEL und CABIN FEVER, bereits im Jahr 2013, also noch lange bevor S. Craig Zahler den letztjährigen Kracher BONE TOMAHAWK ablieferte, die Materie erneut durch den hungrigen Fleischwolf drehte. Ob es etwas über die Qualität aussagt, dass sein Film in den drei Jahren die seitdem vergangen sind mehrfach angekündigt, verschoben, wieder gecancelt und nun, bereits nachdem Roth’s nächstes Werk KNOCK KNOCK international in den Kinos lief, zumindest in Deutschland lediglich auf den Heimkino-Markt gespült wurde, sei dahingestellt – eine derartig holprige Veröffentlichungs-Historie lässt immerhin entweder auf ein kontroverses Meisterwerk hoffen, oder deutet auf unterirdischen Schund der allerletzten Schublade hin.

Unter letzterem Gesichtspunkt ist in Bezug auf den tatsächlichen Film eine Mischung aus Enttäuschung und erleichternder Entwarnung angesagt: THE GREEN INFERNO ist weder der ganz große Wurf, noch (besonders unter Horror-Maßstäben) ein Ausfall. Die, aus Sicht der heutigen Horror-Landschaft, recht exotische Thematik nutzt Roth, wie für sämtliche seiner Filme üblich, zwar nur zur Erschaffung einer höchst simplen Prämisse, zieht diese aber konsequent durch und bewerkstelligt es, durch feine inhaltliche Garnitur mit (alles andere als platten) thematischen, gar weltpolitischen Spitzen die exploitativen Aspekte in ein gesundes, ausgeglichenes Gesamtbild zu betten und sich genügend von konventioneller Stangenware abzuheben. Sein kleines Grüppchen politischer Aktivisten reist nicht bloß in den Amazonas, um die Vertreibung von Ureinwohnern zu verhindern und nach einer unangenehmen Wendung möglichst imposant zerfleischt zu werden – viel mehr scheitert es elementar am kaputten System, sowie den eigenen Eitelkeiten und funktioniert so, symbolisch betrachtet, auch gewissermaßen für systemische Tendenzen innerhalb der gesamten Menschheit. Diejenigen, die die Natur gnadenlos ausbeuten und trotz allen aufgeklärt-bekennenden Geschwafels irgendwann an dem Punkt stehen werden, wo das ausgezehrte Monster dass sie damit erschufen, sich zurückholt was ihm zustand, sind zwar verantwortlich, als Kollateralschaden werden wir jedoch allesamt den Kürzeren ziehen. Mach kaputt, was dich kaputt macht, ist mehr als Punk-Attitude, denn wenn wir etwas endgültig zerstört haben, von dem wir so elementar abhängig sind, ist Zahltag – und dann zahlen wir alle.

Von Bildschirm-Aktivisten, über fadenscheinige Selbstdarsteller bis zum ausbeuterischen Global-Konzern verteilt Roth Seitenhiebe und Nierenschläge in die vielfältigsten Richtungen – wer sie sucht, wird sie finden, wer sie übersieht, verpasst zwar etwas, kann aber dennoch auf der Primärebene einen grundsoliden Horror-Streifen erleben. Bereits der Titel deutet an, wie sehr hier großen Vorbildern gehuldigt werden soll (einer der Titel unter denen CANNIBAL HOLOCAUST II in 1988 vermarktet wurde, lautete GREEN INFERNO) und so darf der geneigte Genre-Freund sich selbstverständlich auf mark-erschütternde Grausamkeiten einstellen. Darf es noch etwas Bizeps sein, oder doch ein wenig Wade? Wohl bekommt’s! Gemessen am wunderschönen Amazonas-Setting und der beklemmenden Aussichten, die unseren (recht austauschbaren) Studenten-Cast erwarten, bleibt THE GREEN INFERNO atmosphärisch zwar oftmals unter der möglichen emotionalen Maximal-Intensität (oder ich bin völlig abgestumpft), weiß aber in Verbindung mit dem pumpenden Ethno-Score an anderen Stellen gezielt die Magengrube zu malträtieren. Die handgemachten Blut-Orgien, welche Roth glücklicherweise alles andere als inflationär platziert, gehen durchaus ans Eingemachte. Unschön – aber genau das wollten wir ja schließlich sehen, oder? Und viele sicher mehr davon – wahrscheinlich reicht die Quantität “eingefleischten” Gorehounds bei weitem nicht hin und wird als “langweilig” und “zäh” verschrien, während Cineasten, die sich mit ihrer umfassenden intellektuellen Rezeptionsgabe brüsten, Roth’s Subtexte als viel zu platt und unausreichend brandmarken – doch gerade daher verdient seine Wahl des inszenatorischen Weges Respekt, da er mit THE GREEN INFERNO ein unpopuläres Genre auf dem denkbar unpopulärsten Wege bedient (und wie die Historie des Films zeigt, wohl nahezu der einzige ist, der an die eigene Handschrift glaubt). Das ist ziemlich sympathisch, in Roth steckt mehr, als die Allgemeinheit ihm zutraut.


Wertung
6 von 10 delikaten Augäpfeln


Veröffentlichung
THE GREEN INFERNO ist am 03. März 2016 bei Constantin Film als BluRay und DVD erschienen. Im Bonusmaterial befinden sich: Der Dreh, Die Dorfbewohner, Eli Roth über “The Green Inferno”, Lorenza Izzo über die Arbeit im Amazonas, Lorenza Izzo über die Rolle Justine, DJ Ashba – Musikvideo. Die Discs kommen im Wendecover ohne FSK Logo.


Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es (Director’s Cut)
Leihen: LOVEFILM
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