© by 3L Homevideo

Film: Lady Vengeance – Chinjeolhan geumjassi (2005)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by 3L Homevideo


Fakten
Jahr: 2005
Genre: Drama, Rachethriller
Regie: Chan-wook Park
Drehbuch: Chan-wook ParkJeong Seo-Gyeong
Besetzung: Lee Yeong-ae, Choi Min-sik, Kim Shi-hoo, Kwon Yea-young, Song Kang-ho
Kamera: Chung Chung-hoon
Musik: Choi Seung-hyun
Schnitt: Kim Jae-beom, Kim Sang-beom


Review
Audiovisuell brillant, im Abgang eiskalt und in der Aussage schmerzhaft nah an der Wahrheit: LADY VENGEANCE, Park Chan-wook’s Abschluss der Rache-Trilogie

Es gibt viel zu entdecken, viel zu hinterfragen und viel einzuordnen in diesem kreativen, in seiner Handlung und Figurenkonstellation ziemlich facetten- und umfangreichen Film. So viel, dass es schwierig ist, nach einem Mal schauen bereits darüber zu schreiben, ohne sich zunächst in weiteren Durchläufen mit den peniblen Details und vielzähligen aufploppenden Fragezeichen zu beschäftigen – selbst Zuschauer mit Korea-Erfahrung kann LADY VENGEANCE ob der vielfältigen, unserer Unkenntnis des Landes geschuldet evtl. sogar befremdlichen Eindrücke etwas überrumpeln. Doch auch was man nicht ins Letzte zu verstehen glaubt, kann gut gefallen und demnach muss ich zumindest dazu aufrufen euch diesen tollen Film anzusehen. Und über das geschriebene Wort vielleicht einen Fortschritt in der Reflektion erzielen.

Wieder geht es hier um eine Person, der Jahre ihres Lebens genommen wurden. Zeit die weg ist, unwiederbringlich. Die Klasse und Intensität von OLDBOY erreicht Park dabei zwar nicht ganz, jedoch jongliert er in ähnlichem Maße mit moralischen Fragen und menschlichen Abgründen: Zerstöre jemandem sein Leben und er wird mit großer Wahrscheinlichkeit versuchen dir deines zu zerstören. Aber was kommt dann? Genugtuung? Es ist immer wieder die gleiche Frage, die unterm Strich bei Rachethrillern übrig bleibt, spannend daran ist jedoch über welche Szenarien der Film versucht diese auszuloten. Welche Situationen, die uns Zuschauer perfide Fragen: “Was würdest du tun?”, er uns vorsetzt?

In LADY VENGEANCE fällt es lange Zeit schwer, überhaupt einzuschätzen wo Park (der auch mit für das Skript verantwortlich war) mit uns und Lee Yeong-ae als seiner Hauptfigur hin will. Besonders in der ersten Hälfte kommt der Film verspielt, bunt, fast heiter daher und die titelgebende Geum-ja ist trotz ominöser Vergangenheit freundlich und beliebt. Dazu gesellen sich toll gestaltete Sets, Figuren die dank Überzeichnung ins leicht Komödiantische abdriften und ein flotter Schnitt, der die vielen inszenatorischen Kniffe elegant verbindet – in Summe entsteht ein audiovisuelles Kunstwerk bester Güte, dessen Ton allerdings so gar nicht recht zu einem Film namens LADY VENGEANCE passen will.

Richtig, denn sinngemäß übersetzt, bedeutet der koreanische Originaltitel in etwa “die gutherzige Frau Geum-ja” – wer den Film gesehen hat, wird bemerken, dass dieser Titel sowohl viel besser zur anfänglichen Wirkung der Hauptfigur passt, als auch bewusst das Ziel des Pfades, welchen Park mit uns einschlägt, diffus vernebelt. Er verschleiert gekonnt, dass all die freundlichen Gesten nur Fassade sind, hinter der tiefe Abgründe schlummern. All die geschlossenen Freundschaften nur Mittel zum Zweck, hinter dem bezaubernden Lächeln weht ein eisiger Wind. Schade, dass dieser Überraschungseffekt gnadenlos weg gedenglischt wurde.

Doch auch im Wissen um das, was wohl noch kommen mag, schafft LADY VENGEANCE zu packen, zu verwirren und zu überzeugen. Bald wir klar, dass die Geschichte um Geum-ja’s Vergangenheit nicht wasserdicht ist – die Puzzleteile fügen sich nur schwer zusammen, es bleiben Lücken und Zweifel um den Wahrheitsgehalt der Geschichte, die zu ihrer Verurteilung als bestialische Mörderin führte, beginnen zu sprießen. War das wirklich so, wie die vielen Medienausschnitte es uns glauben lassen wollen? Kann eine so nette Frau so unglaubliches tun? Während wir Geum-ja’s Entwicklung in episodenhafter Form voll wilder Ortswechsel und Rückblenden beiwohnen, kommt die ein oder andere Frage auf, die vielleicht mit etwas mehr Wissen um die Kultur des Landes aufgelöst werden könnte.

Welche Rolle spielt der Glaube in Südkorea? Immerhin wirft Park mit Symbolik förmlich um sich, thematisiert die katholische Kirche immer wieder beiläufig (in DURST sogar aktiv) und sie kommt dabei nicht gerade gut weg. Und wie funktioniert das Zusammenleben in diesem Land eigentlich? Entsteht aus Dank direkt eine Schuld? Muss man jemandem, der einen Gefallen getan hat ehrfürchtig diesen zurückzahlen? Hat “in der Schuld stehen” eine ganz andere Färbung als bei uns, wo es lediglich zum guten Ton gehört, sich für Dinge zu revanchieren? Man muss in Bezug auf die Psychologie der Figuren schon manches Mutmaßen, doch irgendwie erschafft dieses Unwissen eine fremdartige Faszination und Spannung, die dazu motivieren aus all den überlaufenden Eindrücken den tiefenpsychologischen Kern heraus zu filtern. Rache ist nämlich bei weitem nicht die einzige präsente Empfindung – Selbsthass, subtile Liebe, das Wissen um verpasste Chancen. Viel passiert in Geum-ja, lässt sie nie zur Ruhe kommen, Frieden finden, sondern macht sie zur Sklavin der eigenen Getriebenheit – ihre vermeintliche Unfähigkeit die Dinge wieder gerade zu biegen, lässt die Hoffnung auf einen reinigenden Befreiungsschlag zur treibenden Kraft der Figur werden, nichts vermag sie zu stoppen.

Als sich diese Kraft, die Rache, dann manifestiert und LADY VENGEANCE endgültig in den Abgrund kippt, stellt Park die großen Fragen: Wie geht man mit Menschen um, die das Schlimmste getan haben? Welche Bestrafung ist eine angemessene, bzw. gibt es so etwas überhaupt? Und kann diese Strafe das Leid aufheben, welches Opfern widerfahren ist? Können diese überhaupt eine Erlösung finden, die irgendwie an den Täter gekoppelt ist, oder liegt es an (und in) jedem Selbst wieder ins Reine zu kommen?

Drastische Themen, deren Lösung niemals universell, sondern natürlich nur individuell ausgelotet werden kann. Aber wer gegen Ende des Films auf die kleinen Momente achtet, den Fühler für subtile Kleinigkeiten ausfährt, wird merken dass Park viel wahres über den Menschen und seinen Umgang mit der Gewalt in den Gesichtern der Betroffenen versteckt. Sich zumindest so weit positioniert, dass die Folgen der Geschehnisse uns nahelegen, dass eine passende Antwort vielleicht nur einen Blick entfernt liegt. Oder einen Satz, der alles entlarven wird.

Ein starker Abschluss der Park-Trilogie mit imensem Wiederschau-Potential – unbedingt angucken!


Wertung
8 von 10 Tropfen Bleichmittel


Veröffentlichung
LADY VENGEANCE ist bei 3L Homevideo als BluRay (einzeln und als Teil der REVENGE-Trilogie) und DVD (einzeln und als Teil der REVENGE-Trilogie) erschienen.


Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
Kaufen (falls ihr nichts seht, killt euer Ad-Blocker das Amazon-Widget):

4 Gedanken zu „Film: Lady Vengeance – Chinjeolhan geumjassi (2005)“

  1. Der Teil der Trilogie, den ich als schwächsten empfunden habe.
    Trotzdem ist das alles auf verdammt hohem Niveau. Super Film, Wook weiß was er tut!
    Hast du Mr. Vengeance auch schon gesehen?

    1. Ja, mir fehlte nur noch LADY VENGEANCE.
      Ich hingegen fand MR. VENGEANCE am schwächsten. Vielleicht hat der mich aber damals auch auf dem falschen Fuß erwischt…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.