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Film: Der Meister Und Margarita (1972)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Koch Media GmbH


Fakten
Jahr: 1972
Genre: Satire, Mystery, Drama
Regie: Aleksandar Petrovic
Drehbuch: Aleksandar Petrovic, Romain Weingarten
Besetzung: Ugo Tognazzi, Mimsy Farmer, Alain CunyVelimir ‘Bata’ ZivojinovicPavle VuisicFabijan SovagovicLjuba TadicTasko Nacic
Kamera: Roberto Gerardi
Musik: Ennio Morricone
Schnitt: Mihailo Ilic


Review
Wenn ein Film derartige Wogen schlägt, dass der verantwortliche Regisseur von seiner Regierung gezwungen wird die langjährige Tätigkeit als Dozent an einer renommierten Einrichtung nieder zu legen und das Werk über Jahrzehnte in dessen Heimatland verboten wird, liegt die Vermutung nah, dass sich wohl einige hohe Tiere des jeweiligen Regimes nicht unwesentlich auf den Schlips getreten fühlten. Alexandar Petrović’s gleichnamige Adaption des russischen Romans DER MEISTER UND MARGARITA (welcher in Russland ebenfalls bei Erscheinen mit der Zensur zu kämpfen hatte) ist so ein Fall: Gedreht 1972 als jugoslawisch-italienische Co-Produktion und der Regisseur Bürger der damaligen “Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien”, wurde die Aufführung direkt für die nächsten 20 Jahre verboten. Ein genauerer Blick auf die Themen des Films bestätigt: Ein unterdrückerisches Regime sieht sich hier ganz sicher einem intolerablen Maß an Kritik ausgesetzt – Zentral im Werk stehen nämlich Begriffe wie Wahrheit, Freiheit und Machtmissbrauch.

Allerdings erschließen diese sich eher fragmentarisch, denn wenn die (dennoch nicht uninteressante) Geschichte um einen subversiven Autor, der in Moskau mit einem provokanten Theaterstück gegen Windmühlen reitet und ständig mit dem Teufel in Kontakt gerät, eines ist, dann leider ziemlich wirr inszeniert. Das ganze wirkt wie eine lose Sammlung verschiedenster Szenen, die mal banal, mal unheimlich mitreißend, bis hin zu bizarr erscheinen, aber insgesamt kein stimmiges Ganzes formen – ein wirklicher filmischer Fluss ist nicht zu entdecken, Figuren-Konstellationen entstehen aus dem (und enden im) Nichts, selten kommt das Gefühl auf, die gesamte Inszenierung wäre über die kritisierten gesellschaftlichen Themen hinaus (im Sinne einer Geschichte) zielgerichtet. Ein Blick auf den Inhalt der Vorlage offenbart, dass auch diese sich inhaltlich alles andere als geradlinig gibt: Zunächst ist dort fast die Hälfte des Romans nur dem Teufel gewidmet, welcher mit seinen Schergen in Moskau auftaucht, Menschen verdammt und aus dem Hintergrund das Zeitgeschehen lenkt. Der Titel-gebende Meister gesellt sich erst im zweite Teil dazu.

Im Film hingegen existieren sie alle von Anfang an, die gemeinsamen Wege sind direkt in kruder Weise miteinander verwoben. Nachdem das Stück des Meisters, welches von biblischen Inhalten um Pontius Pilatus und Jesus handelt, Macht mit Gewalt gleichsetzt und an einen selbstverständlichen Humanismus appelliert, auf herben Gegenwind beim Verein sozialistischer Autoren stößt, ja sogar ohne je gesehen worden zu sein in “linientreuen” Kritiken zerrissen wird, tritt Satan auf den Plan. Auf geheimnisvolle Weise mit dem erscheinen eines aggressiven schwarzen Katers verknüpft, schlüpft die (intensiv-bösartig von Alain Cury verkörperte) Figur in fremde Identitäten, manipuliert den Lauf der Dinge und lässt seine zwei völlig irren Gehilfen in verstörenden Szenen auf all die los, welche der Meister bereits zuvor als verlogene Feiglinge entlarvte. Um Ehrlichkeit geht es dabei, darum sich selbst und keiner vorgegebenen Ideologie treu zu sein und die unbequeme Wahrheit dem vermeintlichen Luxus aus Völlerei und Trink-Gelagen vorzuziehen – weil der Preis für letzteres die Seele ist. “Wann hat irgendjemand von euch überhaupt das letzte Mal die Wahrheit gesagt?”, brüllt der Meister, während er, paralysiert durch ein grauenvolles Treffen mit dem Teufel, auf einer elitären Feier aufläuft. Doch die Menge wendet sich betreten ab, die Musik setzt wieder ein, der endlose Trott der Unwahrheit geht weiter.

Ohne Zweifel macht Petrović klar, welche Aspekte des Romans er ausformulieren wollte und brüllt den unterdrückerischen Obrigkeiten seinen Zorn über die Fremdsteuerung ganz offen entgegen. “Sei du selbst, oder verrecke”, mahnt das Werk in voller Lautstärke – so weit so gut. Filmisch würde das Endresultat jedoch weit runder wirken, wenn entweder noch einiges an Material herausgeschnitten, oder etliche kurz angerissene Momente durch zusätzliche Szenen vertieft worden wären: Was hat es eigentlich mit der wunderschönen Margarita auf sich, die der Meister einmal trifft und sofort verliebt ist? Was verbindet die Zwei? Warum steckt sie ganz plötzlich – ebenfalls nach einmaligem Treffen – unter einer Decke mit dem diabolischen Trio des Satans? Vielleicht steht sie für die Wahrheit, die den Meister findet und ihm treu bleibt, weil er als einziger eine reine Seele hat? Möglich, doch ebenso wie die Symbolik um den schwarzen Kater, den Sinn einer verrückten Aufführung, in der der Teufel dem Volk dessen fehlgeleitete Gier nach materialistischen Werten recht drastisch vor Augen führt, oder die generelle Entwicklung um das Schicksal des Meisters, der sich im Wahnsinn verliert, erschließt sich all dies nicht bis ins Letzte – auch weil es wie eine Aneinanderreihung von losen Versatzstücken wirkt.

Dennoch ist DER MEISTER UND MARGARITA definitiv ein charmanter Film – rein filmisch, denn die unperfekte Machart, einige knuffige Stop-Motion-Effekte, oder knallrotes Kunstblut, wie es typisch für die 70er ist, lassen angenehme Nostalgie im Bauch aufsteigen – und ohne Frage ein interessanter, wichtiger Film, weil er vor Augen führt wie stark der Drang nach Ausbruch unter der damaligen repressiven Sowjet-Politik gewesen sein muss. Der Film ist Kunst, die tut was sie will, um zu zeigen dass nur das der richtige Weg sein kann. Inszenatorische Schwächen hin oder her: derartige Entschlossenheit lässt gerne über die eine oder andere Unzulänglichkeit hinweg sehen.


Wertung
5-6 von 10 verschwundenen Köpfen


Veröffentlichung
DER MEISTER UND MARGARITA ist heute bei Koch Media in der Reihe Masterpieces Of Cinema (*) als BluRay und DVD erschienen. Im Bonusmaterial befinden sich (leider nur) Kinotrailer und eine Bildergalerie.


Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
AMAZON (*) (falls ihr das Widget nicht seht, wird es von eurem Ad-Blocker gekillt):

2 Gedanken zu „Film: Der Meister Und Margarita (1972)“

  1. Hihi, schon wieder ein Film von dem ich das Buch gelesen habe … Und “auch weil es wie eine Aneinanderreihung von losen Versatzstücken wirkt.” war ziemlich genau mein Fazit des Buches. Am Anfang dachte ich geile erste Szene! Der Teufel tritt auf und zeigt dem Menschen wie klein und dumm er ist. Und dann passiert das wieder und wieder und wieder und … irgendwie fehlte mir da die Pointe.

    1. Du steckst doch mit den Studios unter einer Decke
      Habe nur gestern vor dem Schreiben des Textes eine ausführliche Inhaltsangabe des Romans gelesen, weil ich irgendwie vermutete, dass der evtl. auch relativ wüst (man sagt ja gern “unverfilmbar”) ist und war vollkommen erschlagen von all den Handlungssträngen, Figuren und Nebenplots!
      Der Film ist im Vergleich schon wesentlich straighter, findet aber dennoch nicht recht eine klare Linie. Ich frage mich auch, ob die vorliegende Version eigentlich der damalige Final Cut ist? Habe den in Synchro geschaut und zwischendurch kommen ab und an untertitelte Segmente in italienischer OV. Demnach hat es zumindest der komplette Film damals schon nicht nach Deutschland geschafft – das legt ja die Befürchtung nahe, er wäre evtl. auch anderorts zerstückelt worden.

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