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Comic: Frank Miller – Batman: Year One (1988)

Titelbild & Bildausschnitte © by DC Comics


Eckdaten
StoryFrank Miller
ScriptFrank Miller
ArtworkDavid Mazzucchelli (Inker/Penciller), Richmond Lewis (Colorist)
Genre: Superheld, Noir, Crime
Label: DC Comics
Umfang:  127 Seiten
Gelesen: Englisch, Trade Paperback, Juli 2016


Plot
Wie der Titel schon sagt – YEAR ONE erzählt das erste Jahr des Bruce Wayne nach seiner Heimkehr aus Übersee, inklusive der Origin des Batman und dessen ersten Streifzügen neu. Im gleichen Zuge (und quantitativ sogar präsenter) auch parallel von Comissioner (bzw. damals noch Lieutenant) Gordon nach seiner Versetzung zum Gotham City Police Department. Gordon schlägt sich in einer Hölle voll Gewalt und Abschaum mit hochgradig korrupten Kollegen, unangebrachten Gefühlen für seine Partnerin Sarah Essen und dem ominösen Geist Batman herum, der in nächtlichen Aktionen Kriminelle krankenhausreif prügelt. In einem Schlüsselmoment kreuzen sich ihre Wege und Gordon erkennt, nach anfänglicher Skepsis, auf welcher Seite des Gesetzes Batman steht.


Review
Frank Miller’s, zwei Jahre nach THE DARK KNIGHT RETURNS erschienene, endgültige Neuinterpretation des “Mythos Batman”, ursprünglich in den fortlaufenden Comics BATMAN #404-407 veröffentlicht, ist eine derjenigen Storys, welche man unmöglich isoliert für sich betrachten kann, weil die wegweisenden Entwicklungen die sie ins Rollen brachte und die langfristige popkulturelle Strahlkraft untrennbar mit dem Inhalt verknüpft sind.

Jeder kennt, derzeit vor allem durch Christopher Nolan’s und jüngst auch Zack Snyder’s Leinwandadaptionen, Batman. Und jeder hat bei seinem Namen den “dunklen Ritter” in einer korrupten Stadt voll Wahnsinn vor Augen – der Clou dabei: ohne den Spin, den Miller, Moore und co. der Figur (und ihrer Welt!) in den Achtzigern mitgaben, hätten weder Burton, noch Nolan, noch Snyder wohl die entsprechende Ästhetik und Themenvielfalt umgesetzt, die in ihren Filmen zu finden ist, denn der Weg vom scharfsinnigen Detektiv, über den campigen Gadget-König bis zum gebrochenen Antihelden in versifften Straßenschluchten war weit.

Ich bin Gott weiß kein Experte auf dem Gebiet – im Gegenteil, eher blutiger Anfänger in Bezug auf diese Kunstform – und doch regiert beim Lesen besagter Geschichte(n) die Gewissheit, dass es ziemlich genau die in YEAR ONE und co. gezeichnete Welt ist, welche in den letzten Jahr(zehnt)en in Kinos und auf TV-Schirmen zu sehen war: Gotham nicht bloß eindrucksvolle Kulisse, sondern ein weiterer Protagonist, der das Gute in den Menschen ausbrennt und sie zu verbitterten Hüllen degradiert. Wayne als Produkt dieser Welt, getrieben von seinen Dämonen und immer auf einer Gratwanderung zwischen Hass, Verbitterung und der Hoffnung durch sein drastisches Handeln mit sich und der Welt ins Reine zu kommen. Und Gordon, dessen innerer Konflikt und Widerstand gegen die Zustände in der Polizei derart stark ausgeprägt ist, dass er sich gedanklich schon gar nicht mehr zu ihr zählt, als Fremdkörper empfindet. “Them. I mean we, of course.”

Cops die mit Gangstern Geschäfte machen, Zeugen die im letzten Moment belastende Aussagen gegen diese Cops zurück ziehen und die drastischen Maßnahmen, mit welchen sie Ausreißer wie Gordon einschüchtern und mundtot machen wollen – zu recht zweifelt er alles in seinem Umfeld und den Gesetzesapparat als Ganzes elementar an, steht allein gegen alle und stellt immer mehr die Rollenverteilung von gut und böse infrage. Als alles ausweglos erscheint, stellt der geheimnisvolle Vigilant ihm lediglich den lang überfälligen, notwenigen Verbündeten im Konflikt “allein gegen die Welt” – eine Allianz der letzten verbliebenen Instanzen des Rechts, so konträr sie auch agieren mögen. Dabei geht es in YEAR ONE weniger um eine klare Geschichte, sondern um Eindrücke aus einer Chronologie von Ereignissen und die Effekte von Mensch/Umgebungs-Interaktion.

Gordon, der als werdender Vater abwägt, ob er zum Schutz seiner Familie alles hinschmeißen soll, oder weil die Moral ihn zwingt härtere Bandagen anlegen, Batman der auslotet wie weit er mit der Maßregelung der Verbrecher gehen soll und welcher Schritt zu weit führt – so sehr all diese Reibungsflächen auch schleichend immer stärkere psychologische Profile der zwei Hauptfiguren zeichnen, so sehr sind sie auch Sinnbild eines wütenden Rundumschlags gegen den (durch Gier) kollabierten American Dream. Eine harsche Kritik am damaligen Zeitgeist.

Alles was die Protagonisten erleben und für ihren weiteren Weg entscheiden müssen, ist Produkt einer fehlgeleiteten Gesellschaft – korrupte, moralisch verfallene Marionetten in führenden politischen Positionen, das Fehlen von jeglichem Respekt vor dem Individuum (manifestiert in SWAT-Teams, die bei der Jagd auf Batman ganze Gebäude auf Verdacht sprengen, wohlwissend dass diese von Obdachlosen bewohnt sind), ein Ton der von Gewalt beherrscht ist. Es steckt viel Anklage in dieser noir’esken Parabel auf zwei Außenseiter, die die Welt in die sie nicht passen, nicht mehr mit herkömmlichen Methoden bekämpfen können und Miller’s Ansatz ist Kritik, die sitzt.

Der eigentliche Star von YEAR ONE, und das mag nach diesen vielen lobenden Worten vielleicht etwas überraschend kommen, ist jedoch das Artwork, speziell die Colorierung von Künstlerin Richmond Lewis. Anstatt dem offensichtlichen Impuls zu folgen und eine derart düstere Geschichte farblich zu entsättigen – sie gritty zu gestalten – zeichnet die Visualität des Comics ein fast schon überbordender Mut zur Farbe aus. Mit enormem Effekt: teils fast psychedelisch angehaucht, schafft Lewis krasse Kontraste im schattenreichen Gotham, bricht mit der dunklen Noir-Ästhetik insofern, dass reale Explosionen auch zur Farbexplosion werden, die Neon-Reklamen im Amüsierviertel gleichzeitig als Hommage an SUSPIRIA, sowie direkte Vorlage zu einem Refn-Film durchgehen könnten und die Farbpalette (die wirklich keine Nuancen auslässt und mit eindrucksvollen Mischungen arbeitet) sich abseits dieser bunten Momente als hochgradig ungewöhnlich darstellt.

YEAR ONE sieht aufgrund dieser außerweltlichen Verfremdung (aber natürlich AUCH, weil Mazzucchelli tolle Zeichnungen vorlegte) einfach fantastisch aus. Ein kleiner Dämpfer im Lesefluss ist einzig, dass Batman’s Gedanken in einer sehr geschwungenen, unangenehmen Schreibschrift verfasst sind, die (zumindest im geringfügig geschrumpften Format des Trade Paperbacks) gelegentlich nach Blinzeln und zwei mal hinsehen verlangen. Vielleicht brauche ich aber auch einfach nur eine Brille? Wirklich geschmälert hat es diesen Einstieg in das moderne BATMAN-Universum aber keineswegs – ein Noob las YEAR ONE, jetzt will ein Noob mehr – denn die gelungene Symbiose aus Inhalt und Form liefert insgesamt eine atmosphärische Graphic-Novel. Gefällt.


Weblinks
DC COMICS
COMICBOOKDB
COMIXOLOGY
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