Film: St. Vincent (2014)


Trailer © by Polyband Medien GmbH


Fakten
Jahr: 2014
Genre: Drama, Tragik-Komödie
Regie: Theodore Melfi
Drehbuch: Theodore Melfi
Besetzung: Bill Murray, Melissa McCarthy, Naomi WattsTerrence HowardJaeden Lieberher
Kamera: John Lindley
Musik: Theodore Shapiro
Schnitt: Sarah FlackPeter Teschner


Review
Vincent: “My wife. She died.”
Oliver: “I’m sorry for your loss.”
Vincent: “I’ve always wondered why people say that all the time. “I’m sorry for your loss”. What does that mean? What about: “How do you feel about it?”. Or: “How do you get along with the situation”. How about that?”

ST. VINCENT ist ein Film, der genau das liefert was er verspricht: Eine leichte Tragikkomödie mit wahrem Kern und klarer moralischer Aussage. Ist das verwerflich? Ich finde nicht, denn selten sind verschrobene Figuren charmanter aneinander geraten, als in dem Paket, was Theodore Melfi zu seinem Debut-Langfilm zusammengeschnürt hat.

Ohne Frage ist diese kleine Geschichte eines zynischen, vulgären Stinkstiefels, der den Willen zu Leben verloren hat, höchst angreifbar, denn wer Filme von Grund auf nach wahren, authentischen Figuren abgrast, wird sicher kritisieren, dass die hier gezeigten wohl kaum in gespiegelter Form in der Realität anzutreffen wären. Doch wurden Lotterkopf Vincent, der kleine, neunmalkluge Oliver, oder die ultra-Klischee-beladene Ostblock-Bitch Daka nicht ohne Grund allesamt ein bißchen over-the-top dargestellt. Manchmal, besonders in Komödien, bietet es sich einfach an zu überzeichnen, um Reibungsflächen zu schaffen, Welten aufeinander prallen zu lassen, klarer zu zeigen für welchen Typ Mensch eine Figur eigentlich steht, etc. Das ist dann selbstverständlich nicht eins zu eins das wahre Leben, schließt aber keineswegs aus, dass dennoch im Kern viel wahres über eben dieses erzählt wird. So viel künstlerische Freiheit sollte dem Medium Film doch zu gestanden werden?

In ST. VINCENT regiert zunächst ein kruder Humor, der sich angenehm mit den warmen, sonnendurchfluteten Bildern beißt. Bill Murray als Vincent ist ein saufendes Total-Arschloch, versucht jegliche Situation zu seinem Vorteil zu drehen und kommt offensichtlich nicht wirklich mit dem Leben klar – das abgewrackte Haus, die Schuldeneintreiber auf der Rennbahn und seine dauerhaft üble Laune sprechen eine deutliche Sprache. Doch als Vince gegen wucherhafte Bezahlung beginnt regelmäßig auf den kleinen Nachbarsjungen aufzupassen, bekommt die grummelige Fassade Risse. Es bröckelt und hinter all den Gags kommt die frage auf, wer dieser Mann unter der ungenießbaren Hülle in Wahrheit ist. Ob er schon immer so war und wenn nicht, was ihn zu dem gemacht hat?

Dramaturgisch wahnsinnig gut getaktet flechtet Melfi im Laufe der Spielzeit die ersten tragischen Momente ein, legt immer mehr Vince’s verbitterte Seele frei und gibt ihm dadurch ein Gesicht, was in all seiner verkorksten Rüpelhaftigkeit plötzlich gar nicht mehr so witzig wirkt. Eher traurig und bemitleidenswert. Rückwirkend mischt sich dem vielen Lachen ein bitterer Beigeschmack unter, ohne jedoch Sodbrennen zu verursachen.

Unterm Strich handelt ST. VINCENT dann von den Weichen des Lebens. Denen, die uns trotz aller freudvoller Leibhaftigkeit vom Pfad des Lebensmuts abbringen können. So weit weg dass wir verloren im dunkeln herumirren und evtl. sogar vergessen wie schön das Leben mal gewesen war, weil ein Schatten über den Erinnerungen liegt, oder wir sie so sehr als abgeschlossen empfinden, dass der Geist uns vorgaukelt, dieser Zustand sei niemals wiederherzustellen. Und zuguterletzt, da offenbart sich der Feelgood-Charakter des Films, auch von der Weiche, die andere für einen stellen können, um wieder zurück auf die Spur zu kommen – verändert, aber unter diesen neuen Vorzeichen doch noch irgendwie der Alte.

Da schreit der eine oder andere natürlich wieder schnell: “Und am Ende haben sich alle lieb? Wie schmierig!”. Ja, haben sie. Na und? Muss denn immer alles schlecht sein, überall nur Weltschmerz, zerstörte Psychen und Hoffnungslosigkeit herrschen? Ist es denn so schlimm, in vereinfachter Form mal eine positive Aussage zu machen – noch dazu eine, die ich persönlich voll teile und nur doppelt unterstreichen kann – und immer gleich automatisch “verkitscht” oder “schnulzig”? Ich sage ganz klar nein, denn auf skurrile Art und Weise ist es Theodor Melfi hier ganz wundervoll gelungen vom Fallen und wieder Aufrappeln zu erzählen. ST. VINCENT plädiert dafür, über manches einfach mal zu lachen (bzw. es zu dürfen), anstatt immer nur die Seelenqual-Keule zu schwingen.

Ein leichtfüßig-überdrehter Indiefilm, der den einen oder anderen (notwendigen) tragisch-schweren Moment nicht scheut und (mir zumindest) eine tolle Zeit beschert hat!


Wertung
7 von 10 verlorenen Hunderennen


Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
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2 Gedanken zu „Film: St. Vincent (2014)“

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