Film: Vengeance – Fuk Sau (2009)


Trailer © by Koch Media GmbH


Fakten
Jahr: 2009
Genre: Thriller, Heroic Bloodshed
Regie: Johnnie To
Drehbuch: Ka-Fai Wai
Besetzung: Johnny Hallyday, Sylvie Testud, Anthony Chau-Sang Wong, Ka Tung Lam, Suet Lam, Simon Yam, Siu-Fai Cheung, Felix Wong
Kamera: Siu-keung Cheng, Hung Mo To
Musik: Tayu Lo
Schnitt: David M. Richardson


Review
Je weiter die Anzahl der gesehenen Johnnie To Filme steigt, umso mehr zeichnet sich ab, dass die Bandbreite an behandelten Themen bei diesem Mann nicht allzu umfangreich ist (könnte aber auch an der gänzlich zufälligen Filmauswahl liegen). Doch mit dieser einen Erkenntnis geht auch eine weitere Hand in Hand: Da To seine straighten Gangster-Genrefilmchen, von kleinen Aussetzern abgesehen, immer solide bis exzellent inszeniert, ist diese fehlende Vielseitigkeit überhaupt kein Problem – er tut halt das was er kann und trotz inhaltlichen Ähnlichkeiten gilt keineswegs “kennst du einen, kennst du alle“. Nein, To begeistert und überrascht immer wieder – und in VENGEANCE bereits über die Rahmenbedingungen, denn er wagt sich hier (erstmalig?) souverän auf englisch- (bzw. sogar französisch-)sprachiges Terrain vor.

Die Familie einer französisch-stämmigen jungen Frau wird von drei Auftragskillern brutal ermordet – warum bleibt unklar. Ihr Vater (Johnny Hallyday), ebenfalls ex-Hitman, reist aus Paris an, um sich auf die Fährte der Mörder zu setzen und bittere Rache zu nehmen. Schnell kann er weitere Pistoleros (Anthony Wong, Ka Tung Lam und Suet Lam – altbekannte Gesichter aus HK- und Johnnie To-Streifen) zur Unterstützung gewinnen und die Jagd beginnt. Von Hongkong nach Macau und zurück führt es die schnell eng zusammengewachsene Truppe, doch die drei Mörder und der dahinter stehende Gangsterboss sind nicht das einzige Problem, mit dem sie sich herumschlagen müssen.

Ein simpler Plot, der zunächst gar keine Einstufung erlaubt. Auge um Auge, Zahn um Zahn, das kann ein simples Vehikel für höchst reaktionäre, stumpfe Actionkost darstellen, auf der anderen Seite bietet das Konstrukt der Rache aus Verzweiflung aber auch eine Projektionsfläche für tiefgreifende seelische und moralische Fragen. VENGEANCE balanciert irgendwo dazwischen. Auf der einen Seite porträtiert der Film einen Wandel seiner Protagonisten – von kaltblütigen Killern, die im Auftrag der Mafia für Geld töten, zu relativ ehrbaren Leuten, die für “das Richtige” einstehen und “eine gute Sache” kämpfen. Auf der anderen Seite sind diese Ziele für sich genommen höchst fragwürdig: Vergeltung von Mord, ebenfalls durch Mord – ist das die Lösung? Wägt ein Sinneswandel in die richtige Richtung die eigene, dunkle Geschichte auf? Darf man überhaupt Sympathie für einen solchen Menschen entwickeln?

Regiseur Johnnie To und Author Ka-Wai Fai geben keine Antwort auf diese Fragen, sondern überlassen sie vollends dem Zuschauer – dieser muss auf sich gestellt eine Einstufung finden, sich ein Bild machen und eine Meinung bilden. Gibt es hier Gewinner? Helden? Kriegt am Ende jeder was er verdient? Das lässt sich alles nur beantworten, wenn man die erwünschten Konsequenzen von Wesen und Handlungen der Beteiligten für sich selbst auspuzzelt. Ich z. B. empfinde die vage Richtung des Films als Pluspunkt, denn durch diese (auch moralisch) schwammige Ausformulierung bleibt genügend Raum, der in der Rezeption als eigene Projektionsfläche dienen kann. Wie man sie füllt, hängt wohl von den eigenen Wertvorstellungen ab – für mich geht das (moralische) Konzept, aufgrund des Schicksals der beteiligten Figuren auf.

Abseits der ganzen (bei dem Thema essentiellen) Gedanken zu Moral und Aussage, hat VENGEANCE noch ganz andere Qualitäten, nämlich zum einen einen leicht melancholischen Humor, der sich durch die Gespräche der Figuren zieht (der Charakter Fat dient hier zur Auflockerung immer wieder als Comic Relief – in einem angemessenen Rahmen), aber noch viel wichtiger: Unglaubliche Action-Szenen. Präziser gesagt, unglaubliche Shootouts! Eine Bildsprache, die jeden Kunstfilmer vor Neid erblassen lässt, ausgefallene Ideen für Orte und Szenarien, die die drei bis vier großen Schießereien zu einem wahren Augenschmaus machen – prasselnder Regen, wehende Blätter in einem nächtlichen Wald, gepresste Pappblöcke, die sich insektenartig über ein Feld aufeinander zu bewegen – und ein Umgang mit Slowmotion, der Zack Snyder zeigt, wo der Hammer hängt – all das schafft einen Fluss, der die Kämpfe zu einem obskuren Tanz der Projektile mutieren lässt. Selten besser gesehen.

Würde sich VENGEANCE nicht zwischen den überragenden Actionszenen oft ein wenig ziehen, wäre hier wohl ein Kracher entstanden, der mit DRUG WAR und EXILED mithalten könnte – aber vielleicht wächst er ja noch, denn mehr als nur ein Mal möchte ich den Film auf jeden Fall sehen.


Wertung
7 von 10 verschossenen Pistolenkugeln


Weblinks
IMDB
OFDB
MOVIEPILOT
ROTTEN TOMATOES
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
AMAZON (*) (falls ihr das Widget nicht seht, wird es von eurem Ad-Blocker gekillt):

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