Film: Nymphomaniac – Vol. II (2014)


Trailer © by Concorde Film


Fakten
Jahr: 2014
Genre: Drama, Episodenfilm
Regie: Lars Von Trier
Drehbuch: Lars Von Trier
Besetzung: Charlotte Gainsbourg, Stellan Skarsgård, Stacy Martin, Shia LaBeouf, Christian Slater, Jamie Bell, Willem Dafoe, Udo Kier
Kamera: Manuel Alberto Claro
Musik: Originalmusik
Schnitt: Morten Højbjerg, Molly Marlene Stensgaard, Jacob Secher Schulsinger


Review
The journey goes on – leider aber, völlig entgegen der (im Abspann von NYMPHOMANIAC – VOL. I) suggerierten Vollgas-Erwartung, mit angezogener Handbremse. Und wer kennt das nicht: Zunächst wundert es, dass kein wirkliches Tempo möglich ist, irgendwann fängt es an zu quietschen, dann zu rauchen und zuletzt geht irgendwas kaputt.

Um bei der gewählten Symbolik zu bleiben: VOL. I konnte zumindest noch als gemütliche Spazierfahrt auf der Landstraße angesehen werden. Das machte Spaß, meist schien die Sonne, am Wegesrand konnte man ulkige Dinge bestaunen, aber danach war es nicht so wirklich erinnerungswürdig. Von dem blutigen Unfall in Chapter 4 mal abgesehen – da lohnte sich das Gaffen und eine morbide Faszination kam auf – ein spaßiger Ausflug, der durch die Routenwahl und das eine oder andere kreative Fahrmanöver des Mannes am Steuer stark aufgewertet wurde.

Doch alles was damals die, an sich recht öde, Landstraße etwas interessanter erscheinen ließ, gibt es in VOL. II nicht mehr. Die Karre tuckert zwei Stunden durch die Gegend und der Fahrer spielt sich als Touristenführer auf, will uns Beifahrern immer wieder weiß machen, da draußen würde gerade die Hölle auf Erden abgehen – was man sieht, sind jedoch lediglich ein Paar Rauchschwaden am Horizont, mal ein karges Örtchen, mal ein liegengebliebener Wagen. Viel präsenter als die vorgegaukelte Hölle wird jedoch im Verlauf der Reise das leichte Quengeln im Hinterkopf: “Wann sind wir endlich da?” Da können auch die, mittlerweile nur noch halbherzig ausgeführten, sowieso langsam abgenutzten Fahrmanöver des Fahrers nicht mehr so recht für Stimmung sorgen.

Doch genug von Landstraßen und Ausflügen.

VOL. I war durchwachsen und VOL. II fehlt es an Allem (!) was in VOL. I irgendwie noch den Daumen nach oben gehen lies. Aus erzählerischer Sicht ist das Gesamtwerk NYMPHOMANIAC also durchweg mehr als dürftig inszeniert: Joe und Seligman sprechen, dann Rückblende in die Vergangenheit mit Stimme aus dem Off, Joe und Seligman sprechen weiter, dann Rückblende in die Vergangenheit mit Stimme aus dem Off, Joe und Seligman sprechen noch weiter, dann Rückblende in die Vergangenheit mit Stimme aus dem Off, Unterbrechung: Seligman hakt nach und kann’s nicht fassen. Joe und Seligman sprechen, dann Rückblende in die Vergangenheit mit Stimme aus dem Off, Joe und Seligman sprechen weiter, dann Rückblende in die Vergangenheit mit Stimme aus dem Off, Joe und Seligman sprechen noch weiter, dann Rückblende in die Vergangenheit mit Stimme aus dem Off, Unterbrechung: Seligman hakt nach und kann’s wieder nicht fassen, Joe und Seligman sprechen, dann Rückblende in die Vergangenheit mit Stimme aus dem Off, Joe und Seligman sprechen weiter, dann Rückblende in die Vergangenheit mit Stimme aus dem Off, Joe und Seligman sprechen noch weiter, dann Rückblende in die Vergangenheit mit Stimme aus dem Off, Unterbrechung: Seligman hakt nach und kann’s endgültig nicht fassen.

Ermüdend zu lesen?

Richtig, sehr ermüdend und genauso ist NYMPHOMANIAC in Summe leider nun auch ermüdend zu schauen. Natürlich kann von Trier inszenieren wie er möchte, einen Gefallen hat er sich mit dieser “Erzähler-liest-Geschichte-vor”-Herangehensweise aber definitiv nicht getan, denn NYMPHOMANIAC VOL. II schaut sich in etwa so dynamisch, wie das Herumkauen auf einem daumengroßen Stück Holz. Besonders, da die Qualität der Dialoge in VOL. II enorm nachlässt, da Seligmans absurde Vergleiche zwischen Joes Eskapaden und intellektueller Materie XY (die in VOL. I zwar schon verkopft geschrieben und etwas erzwungen wirkten, aber trotzdem einfach amüsant und skurril wirkten) sich langsam abgenutzt haben (und auch qualitativ nicht mit Angeln und co. aus VOL. I mithalten können) und vor allem: Da die weitere Ansammlung an Vergangenheits-Kapiteln lediglich zu einer Abarbeitung einer seltsamen Checkliste verkommt. Was sieht der spießige Kleinbürger als “pervers” und “anstößig” an?

– Gangbang mit “Negern”. [x] check!
– Gewalt zur Lusterfüllung! [x] check!
– Homosexuelle Beziehung! [x] check!
(Und dann sogar mit einer quasi Minderjährigen: [xx] double-check!)

Na dann lassen wir Joe doch genau das alles tun und NYMPHOMANIAC wird total anstößig und super-duper skandalös. Nein, Herr von Trier, zwar nimmt Joe mit was geht, aber mich lies dieses “Schicksal” wirklich völlig kalt – schockieren tat es erst recht nicht. Soll sie sich peitschen, oder im Sandwich durchnehmen lassen – das interessiert mich weit weniger als das, was in ihrem Kopf (in ihrer Seele!) passiert. Und davon serviert von Trier nicht wirklich viel. Das mag zum einen daran liegen, dass sich NYMPHOMANIAC VOL. II noch weit mehr als die “erste Filmhälfte” über seine exzessiven, krampfhaft auf schockierend getrimmten Bilder, denn über die Psyche der Beteiligten definiert, zum anderen auch einfach an dem, was die schauspielerische Leistung hier transportiert: Stacy Martin als Joe in der Pubertät und junge Erwachsene war stark. Ziemlich stark sogar. Gainsbourg wirkt im vergleich zwar enorm abgewrackt, lässt aber weit weniger Blicke ins Innere ihrer Figur zu. Das alles bleibt ungemein distanziert – so sehr dass es schwer fällt im Laufe des Films überhaupt noch bei der Sache zu bleiben.

Als Fazit zum Gesamtwerk: NYMPHOMANIAC hätte was werden können, denn von Trier hat mit DOGVILLE, ANTICHRIST oder DANCER IN THE DARK eindrucksvoll gezeigt, dass er in der Lage ist SEELISCHE Qual fühlbar zu machen – das resultierte in einigen der eindringlichsten und unangenehmsten Filmen des zeitgenössischen Kinos. NYMPHOMANIAC ist aber leider nichts geworden. Die Probleme gehen beim Erzählstil los, pflanzen sich über die oberflächliche Figurenzeichnung und ebenso oberflächliche Abarbeitung des Nymphomanie-Themas fort, spitzen sich in der ermüdenden Ansammlung sexueller Grenzüberschreitungen zu und enden in der (fast schon lächerlich hinten dran geflanschten) Moral- und Legitimationskeule der letzten zwei Minuten. Irgendwie sehr schade – dass Lars von Trier aus seinem kontroversesten Thema seinen bis dato konventionellsten Film schraubt, war nun wirklich nicht zu erwarten!


Wertung
Für diese Hälfte 3 von 10 gepeitschten Damen
Insgesamt 4.5 von 10 pseudo-skandalösen Schocker-Streifen


Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
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2 Gedanken zu „Film: Nymphomaniac – Vol. II (2014)“

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