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Film: Hard Candy (2005)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Universum Film


Fakten
Jahr: 2005
Genre: Thriller, Rape’n’Revenge, Torture-Horror
Regie: David Slade
Drehbuch: Brian Nelson
Besetzung: Patrick Wilson, Ellen Page, Sandra OhOdessa Rae
Kamera: Jo Willems
Musik: Harry EscottMolly Nyman
Schnitt: Art Jones


Review
Wenn ein Film als Faustschlag im großen Stil angelegt ist und mich um jeden Preis verstören will, mich das alles allerdings durchweg ziemlich kalt lässt, dann stimmt etwas nicht. Das ist hier passiert, also Zeit für eine Analyse.

Die Prämisse ist wohl das unangenehmste an HARD CANDY – erwachsene, mittelalte, bzw. sehr alte Männer streifen weltweit durch die anonymen Weiten der Chatrooms und suchen das Verbotene: (zu) junge Mädchen. Das gibt es so, das weiß man, da macht man(n) sich aber keine Gedanken drüber – betrifft mich nicht, nehme ich also nicht wahr. Psychothriller, Horrorfilme, etc. – man nenne es wie man will – die wirklich gut sind, schaffen es, genau diese Grauzonen im menschlichen Gehirn frei zu legen und zwingen uns, Dinge zu konfrontieren, die sonst aufgrund der ((zum Selbstschutz auferlegten) Verdrängungsmechanismen im Dunklen verblieben wären. Man will nicht alles wissen, was in unserer verrohten Welt geschieht.  Doch diese Suche nach Sex mit Mädchen im Teenager- oder sogar noch Kindesalter findet wahrscheinlich in einem Maße statt, dass der normal denkende sich kaum vorstellen kann. Hier liegt also ein Übelkeit erzeugendes Thema vor, und HARD CANDY erlegt uns den Zwang auf, uns genauer damit auseinanderzusetzen zu müssen, wie diese Menschen auf Jagd nach naiven, leicht zu beeindruckenden Opfern gehen. Das könnte (und müsste) also voll in die Magengrube treffen.

Und da liegt der erste, vielleicht kolossalste und bereits ausreichende Schwachpunkt von David Slade’s Debutfilm – HARD CANDY zwingt uns nicht sich wirklich mit diesen widerlichen Seiten der Welt da draußen zu befassen, er zwingt uns nicht die Welt danach mit leicht verändertem Blick zu sehen. Stattdessen wird das Thema in einer kurzen Einleitung von maximal 20-30 Minuten als Basis für einen Torture-lastigen “Plot” genommen und anhand einer (relativ) gängigen Täter-/Opfer-Konstellation abgearbeitet – er, über 30 und falsch gepolt, sie erst 14, dann Kontakt, kurzes Kennenlernen, nach Hause mitnehmen. Das alles wird abgehakt, nur um dann als Fundament für eine ziemlich öde, uninspirierte und holprig geschriebene Gewalt- und Psycho-Nummer nach absolutem 08/15-Schema zu fungieren. Schade, da wird ganz großes Potential in noch größerem Stil verschenkt.  Film: Hard Candy (2005) weiterlesen

Film: Der Junge mit dem Fahrrad – Le Gamin au vélo (2012)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Alamode Film


Fakten
Jahr: 2012
Genre: Drama
Regie: Jean-Pierre Dardenne, Luc Dardenne
Drehbuch: Jean-Pierre Dardenne, Luc Dardenne
Besetzung: Thomas Doret, Cécile De France, Jérémie Renier, Fabrizio Rongione, Egon Di Mateo, Olivier Gourmet
Kamera: Alain Marcoen
Musik: –
Schnitt: Marie-Hélène Dozo


Review
Bodenständig, geerdet, realistisch – man kann es nennen wie man möchte, Fakt ist dass LE GAMIN AU VÉLO uns leise und still, fast passiv eine Ladung Realität serviert, die gerade aufgrund ihrer Unaufgeregtheit und zurückhaltenden Darreichungsform ins Schwarze trifft.

Im Endeffekt sehen wir nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Leben eines Jungen. Dieser Junge tut zwar sein bestes, sein Inneres nicht nach außen scheinen zu lassen, schnell wird jedoch klar: Er ist verletzt, verzweifelt und tieftraurig, denn sein Vater will ihn nicht mehr und sein einziger Bezugspunkt – die emotional überforderte alleinerziehende Mutter – kann diese Lücke nur sehr bedingt füllen. Und so simpel das zunächst klingt, so hart und bitter ist es. Weil es da weh tut wo jeder von uns sensibel ist, da wo man gewollt werden will, Anerkennung braucht, die Hand ausstreckt und sich wünscht, dass sie genommen wird. Film: Der Junge mit dem Fahrrad – Le Gamin au vélo (2012) weiterlesen

Film: Haze (2005)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Rapid Eye Movies


Fakten
Jahr: 2005
Genre: Horror, Survival
Regie: Shin’ya Tsukamoto
Drehbuch: Shin’ya Tsukamoto
Besetzung: Shin’ya Tsukamoto, Takahiro Murase, Takahiro Kandaka, Masato Tsujioka, Mao Saito, Kaori Fujii
Kamera:  Shin’ya Tsukamoto
Musik: Chu Ishikawa
Schnitt: Shin’ya Tsukamoto


Review
Aufgewacht. Beängstigendes Dröhnen überall. Angst. Verstörende Schreie. Panik. Beklemmende Enge. Orientierungslosigkeit. Schmerzen. Aber woher sind wir gekommen? Und wohin in diesem kargen, unwirklichen Labyrinth?

48 Minuten Laufzeit sind im filmischen Sinne äußerst kurz. Gerade so ein mittellanger Film. Doch in Angesicht dieser verstörenden, von Anfang bis Ende maximal fordernden Reise durch morbide Phantasien von Hölle, Verlorenheit und Qual und der tiefen Immersion die sie hervorruft, erscheinen sie 1) endlos und 2) trifft DIY-One-Man-Army Tsukamoto genau die Entscheidung, bei der andere Filmemacher zu häufig hadern: er lässt den Film nur so lange gehen, wie er gehen muss, um sein Anliegen auszuerzählen. Das ist kurz? Egal, es reicht trotzdem, denn HAZE strahlt eine Eiseskälte aus und geht tief im Hirn auf Penetrationstour – erfolgreich: jede Synapse die zur Rezeption dieses Films herangezogen wird, reicht danach erstmal zur Erholung den gelben Schein ein. Auch wenn ich mich gegen den Begriff eigentlich sträube (weil er zu unpräzise ist und somit nichts sagt): Viel zu durchgeknallt ist das dargebotene, um es entspannt anzusehen und danach unbeirrt im Tagesprogramm weiterzumachen.

Wahrscheinlich steht und fällt der Film mit den ersten paar Sekunden: Ein unbekannter wacht in einer dunklen, kalten und klaustrophobischen Umgebung auf. Verwundet und unfähig sich an ein “Vorher” zu erinnern. Kalte Betonwände, erdrückende Enge, der einzige Weg geht tiefer rein. Film: Haze (2005) weiterlesen