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Film: Verjährung – Mong-ta-joo (2013)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Edel:Motion Film


Fakten
Jahr: 2013
Genre: Thriller, Drama
Regie: Geun-seop Jeong
Drehbuch: Geun-seop Jeong
Besetzung:  Eom Jeong-hwa, Kim Sang-kyung, Song Young-changJo Hie-bong
Kamera: Lee Jong-Youl
Musik: An Hyun-jinKoo Ja-wan
Schnitt: Steve M. ChoePark Kyoung-sook


Review
In Bezug auf audiovisuell ansprechende Thriller mausert sich Südkorea in den letzten 10-15 Jahren zu einem der globalen Film-Player schlechthin. Von Entführung (THE CHASER), über das wahrscheinlich häufigste Motiv der Rache (LADY VENGEANCE, I SAW THE DEVIL), bis hin zu Meisterwerken, die sich gekonnt jeglicher klaren Einordnung entziehen (OLDBOY) nutzen die verschiedenen Filmemacher Motive aus der Welt von Cops, Gangstern und allem dazwischen, um packende Geschichten, nicht selten mit gehaltvollem Subtext zu erzählen. Der durchschlagende Erfolg von Werken wie MEMORIES OF MURDER gibt Ihnen recht, denn nicht selten sind die Krimis aus dem eigenen Land die erfolgreichsten Filme des jeweiligen Jahres und locken in dem kleinen, boomenden Land in Südostasien Hunderttausende in die Kinos – kein Wunder, Filmkenner wissen es schon längst: Wer braucht noch Hollywood, wenn er Bong Joon-ho, Kim Jee-woon, oder Park Chan-wook hat! Auch abseits dieser, mittlerweile tatsächlich allesamt durch die jeweiligen U.S.-Debuts aufgefallenen, etablierten großen Namen tut sich einiges: Kleinere Filmemacher, oft auch Autoren der Werke, bekommen die Chance ihre Stoffe umzusetzen, um (und das klingt schlimmer als es ist) den dürstenden Markt zu bedienen. Herüber nach Deutschland und Europa schwappt leider nur ein relativ kleiner Teil des beträchtlichen filmischen Outputs dieses Landes – schade, doch nun ist es mal wieder so weit, mit zwei Jahren Verspätung schafft es ein Regiedebut namens VERJÄHRUNG in die deutschen Heimkinos. 

Fünfzehn Jahre nach einer Entführung mit tödlichem Ausgang droht der ungelöste Fall aufgrund der (zumindest im deutschen Titel) namensgebenden Verjährungsfrist endgültig eingestellt zu werden – weder Ha-kyeong (Eom Jeong-hwa), die immer noch leidende, schwer traumatisierte Mutter des einst entführten Mädchens, noch der zuständige Ermittler Cheong-ho (Kim Sang-kyung aus MEMORIES OF MURDER) sind erfreut darüber. Insgeheim hegen sie beide die Hoffnung den Täter doch noch zu stellen, um nach so vielen Jahren des Leids endlich Gerechtigkeit zu erfahren. Als sich fünf Tage vor Ablauf der Frist eine weitere Entführung zuträgt, die der damaligen in Methodik und Ablauf exakt gleicht, packt Cheong-ho eine neue, treibende Motivation, er legt gegen die Anordnungen der mürrischen Vorgesetzen seinen ganzen Einsatz in den Fall und schon bald verdichten sich belastende Indizien. Doch anders als die schlampig arbeitenden, lediglich auf einen schnellen Abschluss bedachten Kollegen, bleibt Cheong-ho skeptisch – die dünnen, wenig aussagekräftigen Beweise scheinen nicht vollends logisch aufzugehen, auf eigene Faust ermittelt er weiter und macht diverse interessante Entdeckungen.

Ermittler: “Fünfzehn Jahre sind lange, da hat der Täter viel Zeit gehabt, um zu bereuen und um Vergebung zu bitten.”
Ha-kyeong: “Vergebung? Mich hat niemand um Vergebung gebeten! Und meine tote Tochter erst recht nicht!”

Ganz in der Schule der südkoreanischen Meister inszeniert Autor und Regisseur Jeong Geun-seop sein Erstlingwerk in (nahezu) vollkommener audiovisueller Brillanz. Die Protagonisten bewegen sich durchweg, eingefangen von Kameramann Lee Jong-youl (laut der IMDb ebenfalls Debütant), in starken Bildkompositionen, die sehr bewusst und wohlüberlegt erscheinen. Dabei ist VERJÄHRUNG optisch sehr abwechslungsreich gestaltet, die farblose Anonymität eines Großstadt-Bahnhofs weiß Lee ebenso gekonnt einzufangen, wie harmonische, malerische Natur als (emotionalen) Rahmen des Gezeigten. Technisch stimmt alles, Slowmotion verdichtet gezielt besonders intensive Momente und selbst spielerische Szenenübergänge wie ein Morphing zwischen dem realen Bild eines Flusses und der Aufnahme einer Überwachungskamera am selben Ort sitzen. Jeong erschafft intensive Stimmungen durch Klang und Bilder. Diese Vorgehensweise beherrscht er bereits so sicher, dass spielend zwischen Spannung, Drama oder knackiger Dynamik gewechselt wird – die Einzelteile addieren sich organisch, der Film nutzt Schnitt und Farbfilter immer als sinnvoll-gestaltende Komponente im aktuellen Geschehen und nur selten scheinen die typischen kleineren Unsicherheiten und Kunstfehler eines Regiedebuts hervor. Freunde des gesamt-asiatischen Films dürfen sich zudem auf kleinere Zitate, wie zum Beispiel die Regenschirme aus Johnnie To’s SPARROW freuen.

Inhaltlich kommt VERJÄHRUNG zwar von kleineren Schwächen durchzogen, aber insgesamt überwiegend sehr spannend und teils schonungslos bewegend daher. Es fehlt in einigen der Dialog-Szenen, speziell im Hauptquartier der Polizei, oftmals das letzte bisschen Tempo – seltsam, sind doch die anfänglichen Ermittlungs-Montagen so ungemein schnell gestaltet – aber der eigentliche Fall ist, wie es einen guten Crime-Thriller auszeichnen sollte, komplex gestaltet und schwer durchschaubar. Zum einen liegt dies daran, dass Jeong nicht scheut dem Zuschauer nur die allernötigsten Fetzen hinzuwerfen und diese erst viel später aufgreift, um dann in aufkommender Klarheit ein großes Ganzes zu formen, zum anderen an den zahllosen falschen Fährten und unerwarteten Wendungen der Geschichte. Eifrige Hobby-Kriminologen dürften sich wohl mehrfach in der trügerischen Sicherheit wiegen, sie seien den Polizisten einen Schritt voraus, nur um von Jeong direkt wieder in ihre Schranken verwiesen zu werden. So einfach ist es dann doch nicht. Glücklicherweise macht VERJÄHRUNG dabei nicht den Eindruck es auf eine besonders clevere Verschachtelung angelegt zu haben – im Gegenteil: Ohne außerordentlich konstruiert zu wirken, fügt sich schleichend ein ums andere Puzzlestücke zusammen – wer wachsam folgt, zieht irgendwann die richtigen Schlüsse – und das recht spät erkenntliche Bild lässt tief blicken, vor allem in die qualvoll geschundene Seele der trauernden Mutter.

Völlig zu Recht wurde Eom Jeong-hwa für die Verkörperung eben dieser 2013 in Korea gleich mit mehreren Awards (u. A. dem 50. Daejong-Award) ausgezeichnet. Höllisch intensiv, was die Frau an emotionaler Intensität abruft – eine Darstellung, die die unvorstellbaren Qualen des Verlusts im Rahmen wohl so gut wie irgend möglich erlebbar macht. Als Gegenpol steht ihr der zurückhaltend, aber dennoch sehr präsent spielende Kim Sang-kyung gegenüber und führt als Identifikationsfigur durch das rasante Thriller-Drama, welches weit mehr als nur schöne Bilder und eine Handvoll fußläufige Verfolgungsjagden zu bieten hat, weil auch die ruhigen Momente intensiv fesseln. Schön, auch mal kleinere südkoreanische Filme in Deutschland sehen zu können, denn verstecken muss sich VERJÄHRUNG hinter den großen filmischen Brüdern und Schwestern sicher nicht – sollte man ruhig mal schauen, es lohnt sich.


Wertung
7-8 von 10 ausgelaufenen Aufklärungsfristen


Veröffentlichung
VERJÄHRUNG ist im Mai 2015 bei Edel:Motion als BluRay und DVD erschienen. Im Bonusmaterial findet sich ein kleines Making-Of von 15 Minuten Länge mit Interviews und B-Roll-Material.


Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
AMAZON (*) (falls ihr das Widget nicht seht, wird es von eurem Ad-Blocker gekillt):

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