Film: Sucker Punch – Extended Cut (2011)


Titelbild, Trailer & Bildausschnitte © by Warner Home Video


Fakten
Jahr: 2011
Genre: Action, Science-Fiction, Kunstfilm
Regie: Zack Snyder
Drehbuch: Zack Snyder, Steve Shibuya
Besetzung: Emily Browning, Vanessa Hudgens, Abbie CornishJena MaloneJamie ChungCarla GuginoOscar IsaacJon HammScott GlennRichard CetroneGerard Plunkett
Kamera: Larry Fong
Musik: Tyler Bates, Marius de Vries
Schnitt: William Hoy


Review
Über SUCKER PUNCH kann sicher verschiedenstes gesagt werden (und das wurde es auch) -er wurde zerrissen, in den Himmel gelobt, als platt, sexistisch und dumm abgetan, als tiefgründiger meta-Film, emanzipatorisch und multipel interpretierbar gefeiert – was aber für mich, nachdem ich von ursprünglicher Total-Abneigung, über Unsicherheit was mein Interesse betraf, irgendwann bei (durch MAN OF STEEL ausgelöste) neugieriger Kribbeligkeit angekommen bin, das wohl entscheidendste ist: Ich habe den Film geschaut und er hat verdammt viel Spaß gemacht!

Konventionen ade, “Film-Regeln” ade – Zack Snyder, der hier erstmalig als (mit-)Autor fungiert, hatte eindeutig eine Vision, scheißt auf alles und dreht in der Umsetzung seiner (schon irgendwie doppeldeutigen) CGI-Traum- und Eskapismus-Phantasterei passagenweise völlig durch.

Die niedliche Baby Doll (ja, so heisst sie wirklich und ja, genauso sieht sie auch aus) muss in einer phantastischen Anfangssequenz zu einem seltsamen, von Emily Browning selbst gesungenen, in Symbiose mit den Bildern eine völlig geniale Wirkung entfaltenden Cover von Eurythmics’ SWEET DREAMS, um ihr Leben fürchten. Mutter gestorben, der Stiefvater ein Tyrann und ziemlich angepisst davon nichts von der Erbschaft abzubekommen, die zwei Töchter die Leidtragenden. Nachdem sich die Dinge überschlagen wird Baby Doll zu Unrecht in eine Nervenheilanstalt eingeliefert. Ein kalter, grauer, bösartiger Ort, den sie sich nur durch die Flucht in ihre Phantasie erträglich machen kann.

Diese Flucht spannt eine übergeordnete Realitäts- bzw. Traumebene auf: Die karge Anstalt ist in ihrem Kopf zum Burlesque-Theater (inklusive Bordell) geworden, der bestechliche, fiese Krankenpfleger zum brutalen Zuhälter, die mit ihr gefangenen Mädels Sweet Pea, Rocket, Blondie und Amber (herrlich, diese Namen) zu tanzenden Zwangs-Prostituierten. Baby Doll will weg von diesem Ort und entdeckt eine besondere Fähigkeit: Tanz katapultiert sie in eine andere Realität, die untrennbar mit der vorherigen verwoben ist und eine Möglichkeit bietet sich aus den hoffnungslosen Zuständen frei zu kämpfen, da alle Männer ihr (in der eigentlichen Realität) wie hypnotisiert zusehen. Musik setzt ein und plötzlich landet sie erst allein, dann mit ihren vier Mitstreiterinnen in den verschiedensten, abgefahrenen Welten, eine Reise durch die Action-Genres beginnt und die fünf Frauen treten in ihren knappen Dresses mächtig Ärsche.

Übertrieben sexy Outfits, High-Heels, endlose Wimpern, Lollies statt Zigarren, Maschinengewehre, Schwerter und Headsets – ab geht’s. Vorher gibt ein weiser Mann in der Gestalt eines Colonels ihnen noch ein paar Binsenweisheiten mit auf den Weg und dann beginnt der Tanz der Kugeln. Und zu Tanz gehört Musik: Zu Björks ARMY OF ME bekommen Riesen-Steinsamurais eine Lektion erteilt, ein Cover von WHITE RABBIT begleitet sie bei ihrem Kampf gegen vergammelte Wehrmachts-Gasmasken-Zombies, SEARCH AND DESTROY treibt gegen Orks und Drachen an – hier trifft Steampunk auf High-Tech-Kriegsszenarien, Fantasy-Schlachten werden mit MGs gewonnen und das Samurai-Schwert ist Mittel der Wahl gegen futuristische Sci-Fi-Roboter-Soldaten. Bizarre Kontraste, die von bizarren Cover-Versionen untermalt werden und ganz stark von ihrem levelhaften Videospiel-Charakter leben. Völlig irre – auf eine sehr amüsante Art und Weise. Was im Trailer wie ein bloßer CGI-Porn anmutete, macht in sich völlig Sinn, denn: Das hier ist Imagination, hier funktionieren Dinge anders, hier springt man aus fliegenden Helikoptern und kämpft mit Drachen – die Physik ist ausgehebelt.

Und das führt zum entscheidenden Faktor: Ganz oft hat man heutzutage das Gefühl völlig lieblosen Animationen gegenüber zu sitzen. Hier ist es das genaue Gegenteil – jede Einstellung strahlt die pure Leidenschaft aus – kein Zweifel besteht an der Freude, die Snyder für sein Spektakel empfindet. Deswegen wäre es falsch zu behaupten, der Film näme sich aufgrund einer gewissen Leichtigkeit nicht ernst. Das tut er sehr wohl, jedoch zum Glück nicht zu sehr. SUCKER PUNCH soll Spaß machen. Eben ALICE IN WONDERLAND mit Knarren, wie Snyder seine Ambition einst beschrieb.

Und steckt da nun tatsächlich tieferes, gehaltvolles drin?
Denkbar, immerhin kämpft sich eine Gruppe Frauen hier aus der Unterdrückung durch (ausschließlich männliche) diktatorische Fieslinge frei. Auch das Konzept der Realitätsflucht wird aufgegriffen (und reichlich damit gespielt, denn wann baby Doll’s tatsächliches Leben endet kann vielfältig gedeutet werden).

Vielleicht bedeutet dies alles, dass man sich aus seiner Unterdrückung freikämpfen muss (und jeder Kampf nun mal Verluste bringt und selbstlose Opfer erfordert). Vielleicht ist es eine Ode an die Phantasie, die uns sagen will, dass wir alles auch in Wirklichkeit schaffen können, was wir uns in bunt ausgeschmückten imaginären Welten erträumen. Vielleicht schreit SUCKER PUNCH ganz laut: “Unterdrückte dieser Welt, steht auf und kämpft! Lasst euch das nicht länger bieten!”. Vielleicht bedeutet es auch überhaupt nichts!? Das einzustufen steht jedem frei, denn Snyder inszeniert diesen Film vage genug um viele verschiedene, äquivalente Sichten auf den Inhalt in zu ermöglichen. Für mich ist es ein beeindruckend inszenierter Action-Kracher, der in gesundem Maß zwischen Ruhe und völligem over-the-top Wahnsinn pendelt und endlich mal ansehnliche Ladies (und nicht immer nur muskulöse Typen) aufräumen lässt.

Pure Fun!


Wertung
8 von 10 überladenen CGI Welten


Weblinks
IMDB
MOVIEPILOT
LETTERBOXD
Streamen: Werstreamt.es
Leihen: LOVEFILM
AMAZON (*) (falls ihr das Widget nicht seht, wird es von eurem Ad-Blocker gekillt):

3 Gedanken zu „Film: Sucker Punch – Extended Cut (2011)“

  1. Erstmal danke für die Antwort

    Zach Snyder ist für mich ein schwieriges/interessantes/überraschendes Thema. Denn irgendwie kann ich deine Kritik gar nicht so recht entkräften, weil in jedem der Kritikpunkte etwas wahres steckt – auch habe ich VOLLSTES Verständnis für jeden, der sich diesen Film (oder andere Snyders) anschaut und nur kopfschüttelnd von diesen CGI-Orgien zurückgelassen wird. Es ist einfach SO viel. An Übertriebenheit vor allem.

    Auf einige Punkte gehe ich trotzdem nochmal kurz ein:

    – Flucht in die Traumwelt, die aber für BD ebenfalls schlecht ist: Macht auf Anhieb keinen Sinn. Bei weiterer Betrachtung aber schon, denn es zieht sich durch den Film, dass sie sich selbst die Schuld für den Tod ihrer Schwester gibt. Es könnte also im Rahmen des Verarbeitungsprozesses bewusst so angelegt sein – ihre Seele fühlt sich schuldig und hindert sich selbst quasi an der Flucht auf sicheres Terrain. Stattdessen fordert ihr Geist sich der Schuld zu stellen – die Kämpfe in Ebene zwei wären dann ein sinnvoller Teil des Schuld-Bewältigungsprozesses. Sie kämpft also quasi gegen ihre eigenen Dämonen.

    – Männerfantasie: Klar. Ist so, da gibt es auch nichts dran zu rütteln. Das Bild was die Mädels hier abgeben, ist in etwa so real wie das, was Arnie in den 80ern als Männerbild abgegeben hat. Überstilisierte (und auch -sexualisierte) Darstellung. Hab den Film überwiegend als Action-Streifen gesehen, insofern kann ich da gut mit leben. Man kann sich natürlich fragen, ob diese Art der verschrobenen Rollenbilder so gut oder richtig sidn. Sollte man vielleicht. Trotzdem hat es mich nicht wirklich gestört (vielleicht eben aufgrund des Y-Chromosoms?!). Früher haben aufgepumpte Typen mit freiem Oberkörper Butts gekickt, hier kicken heiße Mädels in quasi-fetisch Outfits Butts – da sehe ich eher Snyders guten Willen

    – Pointless Action: Lass uns nicht noch MAN OF STEEL auf den Tisch legen, denn das wird dann absolut endlos (ich finde die Action nämlich keineswegs pointless). Die Action hier ist übertrieben, aber in meinen Augen steht sie halt für oben genannten Prozess des “sich freikämpfens”. Die Szenarien sind irre, aber was in ihnen passiert bleibt ja nicht wie z.B. in HOBBIT 2 völlig folgenlos, sondern zum erreichen der Ziele erleidet der Trupp der Ladies auch bittere Verluste. Außerdem hat mir das in verbindung mit der strangen Musik einfach so viel Freude gemacht!

    Ich kann hier nur recht schwammig argumentieren, da mein primärer Grund den Film so abzufeiern einfach SPAß war. Snyder macht irgendetwas in seinen Action-Orgien anders als der Rest. Und dieses Etwas spricht mich scheinbar unglaublich an. Vielleicht ist es die Konsequenz mit der er im Totalexzess Welten explodieren lässt ohne sich auch nur einen Deut zurück zu nehmen, ganz sicher ist es die merkliche Begeisterung (seinerseits) für das was er da tut, die seine Filme (in meinen Augen) aus jedem Frame versprühen. Es ist absolut maximal, aber ganz sicher nicht uninspiriert und/oder herzlos! Mit TRANSFORMERS und co. kann ich z.B. weit weniger anfangen. Snyder liegt mir wohl einfach …

  2. Dein Blogpost hat mich dazu verleitet, mir doch noch einmal einen Zack-Snyder-Film anzusehen und tatsächlich hat er mich ein ganz kleines bisschen mit Snyder versöhnt. Allerdings aus ganz anderen Gründen als dass du ihm acht Punkte gibst (srsly? Und Jacky Brown bekommt nur 6??!?!!!!).
    Denn insgesamt leidet er wieder an klassischen Snyder-Krankheiten. Die Bilder sind der Hammer aber die Story ist bis auf das letzte Viertel mau. Die Exposition, die komplett ohne Sprache auskommt ist genial und Snyder wäre mit Preisen überhäuft worden, wennn er sie als Kurzfilm veröffentlicht hätte aber dann…
    Die Kostüme der Mädels sehen aus, als wären sie der Fantasie von Rainer Brüderle entsprungen. Emily Browning hat nur zwei Gesichtsausdrücke. Aber vor allem: wie hahnebüchend ist es denn, dass ein verängstigtes Mädel sich in eine Traumwelt flüchtet, in der sie wieder hilf- und machtlos ist. Das Bordell ist keine Mädchen- sondern eine Männerfantasie um einen Grund zu haben, die Frauen immer in Unterwäsche zu zeigen. Erst auf der zweiten Traumebene macht der Traum Sinn weil “Baby Doll” *ächz* hier zur Heldin wird. Dafür sind dann die kompletten Actionorgien mit ihren Explosionspornos vollkommen pointless, weil du nie auch nur den geringsten Zweifel haben kannst, dass es nicht gut ausgehen könnte. Das wird noch dadurch verstärkt, dass die Mädels übelst auf die Fresse kriegen aber nie einen Kratzer haben. Diese zweite Traumebene ist wie das Final von ‘Man of Steel’. Action ist doch erst dann bedeutend, wenn sie die Story voranbringt, was hier einfach nicht der Fall ist. Und das ist ein ganz typisches Snyder-Problem.

    Versöhnt hat mich, wie gesagt, das Ende, als ich schon am resignieren war und Snyder mich dann doch mit gleich drei Twists überraschen konnte.

    So und jetzt gucke ich mal wieder Jacky Brown, damit ich dir da auch einen Roman in die Kommentare schreiben kann…

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